Wer darf Pfarreien leiten? – Kontroverse um eine neue römische Instruktion

Überraschend hat die Kleruskongregation mit Approbation durch Papst Franziskus eine Instruktion zur Situation der Pfarreien erstellt, die jetzt veröffentlicht wurde. In den deutschsprachigen Medien wurde darüber unter dem Stichwort „Laien dürfen keine Pfarreien leiten“ berichtet.[1] In erwartbarer Weise wird damit das umfangreiche Dokument auf einen Aspekt fokussiert, der derzeit in vielen deutschen Bistümern diskutiert wird.

Den Anstoß zur neuen Veröffentlichung hat möglicherweise das Bistum Trier gegeben. Dort hatte man, ausgehend von einer Diözesansynode im Jahr 2016 eine umfassende Neugestaltung der Pfarreien beschlossen. Konkret sah der Pastoralplan die Bildung von 35 neuen Großpfarreien vor, für die ein alternatives Leitungsmodell erwogen wurde. Künftig, so der Vorschlag, sollten Pfarreien von einem Team geleitet werden, zu dem neben dem Pfarrer und hauptamtlichen Mitarbeitern auch ehrenamtliche Vertreter gehört hätten. Gegen diese Pläne hatte sich Widerstand geregt. Mehrere Gruppen und Interessenverbände protestierten gegen die Schließung von Kirchen, für den Erhalt kleiner Pfarreien, aber auch gegen das neue Leitungsmodell. Eine Gruppe von Priestern hatte sich gegen letzteres an die römischen Behörden gewandt. Zunächst folgte eine römische Antwort auf die konkrete Situation in Trier, die den dortigen Bischof Stephan Ackermann aufforderte, das geplante Leitungsmodell zu verändern und die Rolle des Pfarrers klarer herauszustellen. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller beklagte daraufhin „das feudalherrschaftliche und zugleich zentralistische Gebaren der römischen Kurie – ohne Gespür und Respekt für jene ortskirchlichen Belange, die allein in der Verantwortung der Diözesanbischöfe liegen.“[2] Aus römischer Perspektive hätte man wohl von einem eigenmächtigen Vorgehen des Bischofs gesprochen, der die universalen Regeln des Kirchenrechts nicht in angemessener Weise befolge.

Es geht hier in erster Linie allerdings nicht darum, den alten Streit zwischen Rom und Diözesen um die hoheitlichen Rechte in bestimmten Fragen zu befeuern. Es geht vielmehr um ein pastorales Anliegen. Die Frage der Neuorganisation der Pfarreien ist zu einem zentralen Reformprojekt fast aller deutschen Diözesen geworden. Auf der einen Seite steht die Not der Bischöfe, das gemeindliche Leben „vor Ort“ in zukunftsträchtiger und effektiver Weise zu erhalten. Die enormen strukturellen Herausforderungen, vor allem der Mangel an Priestern, aber auch die abnehmende Zahl aktiver Gläubiger, sowie finanzielle Probleme der Bistümer haben diese zu teils drastischen Schritten veranlasst. Dabei haben alle Diözesen die besondere Verantwortung der Nichtgeweihten, vor allem der Ehrenamtlichen betont und versucht, dem Anliegen der Einbindung dieser in die Leitungsstrukturen entgegenzukommen. Auf der anderen Seite stehen aber viele gerade dieser Gläubigen, die bei der Bildung von Großpfarreien um ihre geistliche Heimat fürchten, außerdem die Sorge vieler Priester, den gewachsenen Anforderungen an die Leitung einer Pfarrei nicht mehr nachkommen zu können. Es ist interessant, dass Rom nun gerade diesen „Stimmen von der Basis“ entgegengekommen ist. Spricht also im Fall Trier die Diözesansynode als oberste Beratungsinstanz für die Anliegen „des Kirchenvolkes“ oder die gemeindlichen Initiativgruppen?

Formal geht es zudem um ein theologisches und kirchenrechtliches Problem. Der Pfarrer ist in seiner Funktion ja nicht nur ein Leiter der Pfarrei im Sinne der Organisation einer Verwaltungseinheit sondern theologisch gedacht als Stellvertreter des Bischofs vor allem für die geistliche Leitung, auch im Sinne einer sakramentalen Repräsentanz Christi als Leiter der Eucharistie und der Seelsorge.[3] Das Kirchenrecht legt eindeutig fest, dass die Leitung der Pfarrei Aufgabe des Pfarrers ist. Wie ist die Kluft zwischen den geltenden Normen und den konkreten Notlagen der Diözesen zu überwinden? Blickt man auf die Situation in Deutschland, schaut man gewissermaßen in einen pastoralen Experimentierkasten. Während die meisten Bistümer die Pfarreien vergrößern und die Leitungsfunktion des Pfarrers mit neuem Aufgabenzuschnitt bestätigen, hat etwa das Bistum Osnabrück eine weitere Zusammenlegung von Pfarreien ausgeschlossen und stattdessen alternative Leitungsmodelle erarbeitet, bei denen (immer formal im Rahmen des Kirchenrechts) auch andere hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter de facto die Leitung von Gemeinden übernehmen. In anderen Bistümern schlagen die Personalbeauftragten Alarm und machen darauf aufmerksam, dass sie das Potential an geeigneten Priestern für den Pfarrerdienst in großen Pfarreien als erschöpft ansehen. Auch hier wird, wie etwa im Erzbistum Hamburg, mit neuen Leitungsmodellen experimentiert.

Hat Rom diese Bemühungen nun einfach ausgebremst? Was die aufgeregten Schlagzeilen in Reaktion auf die neue Instruktion vermuten lassen, lohnt einen zweiten Blick. Wie immer hilft es zum Verständnis eines Dokuments, den Text als Ganzen zu betrachten.[4] In der Instruktion, die überschrieben ist mit „Zur pastoralen Umkehr in den Pfarreien“ geht es aus meiner Sicht um drei Dinge: 1. Welche Prinzipien sollen bei der Umgestaltung der Pfarreien leitend sein? 2. Unter welchen Umständen können Pfarreien verändert werden? 3. Wie sind die Bestimmungen des Kirchenrechts zur Leitung in Pfarreien zu verstehen?

Leitmotiv der Instruktion ist die von Papst Franziskus bereits in „Evangelii gaudium“ geforderte inhaltliche Neugestaltung kirchlicher Strukturen. Das gesamte Dokument stützt sich fast ausschließlich auf Aussagen des aktuellen Papstes. Nach Franziskus’ Auslegung bedarf es hinsichtlich der Strukturen einer beständigen Reform und Anpassung. Ziel muss bleiben, dass kirchliche Strukturen nicht selbstbezogen werden, sondern sich ihre missionarische Offenheit bewahren, um möglichst vielen Menschen, besonders den Armen und Marginalisierten eine Heimat zu bieten. Daher ist die Pfarrei einem beständigen Wandel unterzogen. Es kann ihr nicht um die Bewahrung eines bestimmten Status gehen. Die angestoßenen Reformen müssen daher in erster Linie inhaltlich begründet sein. Das Dokument macht darauf aufmerksam, dass sich in dieser Perspektive ein rein territoriales Prinzip nicht aufrecht erhalten lässt. Die Anbindung der Gläubigen an eine Gemeinschaft vor Ort entsteht schon jetzt häufig unabhängig vom Wohnort oder gleich virtuell in der digitalen Welt. Entscheidend ist daher die Zugehörigkeit zu einem „existenziellen Territorium“ (Nr. 16), also einer kirchlichen Gemeinschaft, in der das Glaubensleben geprägt wird und sich entfalten kann. Der Text zitiert die Vorstellung der Pfarrei als einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften“ (Nr. 27) und hebt die Bedeutung der getauften Christen als Träger der Botschaft des Evangeliums hervor (Nr. 39). Gerade der existenzielle Bezug, die persönliche Beheimatung wird als ein hoher Wert angesehen. So warnt das vatikanische Dokument vor vorschnellen Schließungen von Kirchen (Nr. 36). Veränderungen der Strukturen erfordern zunächst die Veränderung des Denkens im Sinne eines missionarischen Aufbruchs (Nr.35).

Daher sieht es die Instruktion als unabdingbar an, dass Strukturveränderungen nicht aus „technischen“ Notwendigkeiten, also etwa bei Mangel an Finanzen, erfolgen, sondern inhaltlich motiviert sind (Nr. 48). Sie sollen nicht das Ergebnis struktureller Planungen „am grünen Tisch“ sein, sondern die Eigenheiten und Bedürfnisse vor Ort in besonderer Weise berücksichtigen (Nr.36). Das Kriterium der „Nähe“ steht dabei an herausgehobener Stelle:

„Um ein schlichtes Ertragen von Veränderungen zu vermeiden und in dem Bemühen, sie vielmehr zu fördern und zu steuern, geht es im Kern dieses Erneuerungsprozesses um die Notwendigkeit, Strukturen zu finden, die geeignet sind, in allen Teilen der christlichen Gemeinschaft die gemeinsame Berufung zur Verkündigung der Frohen Botschaft im Hinblick auf eine wirksamere Hirtensorge für das Volk Gottes, dessen ‚zentrales Element‘ nur die Erreichbarkeit und Nähe sein können, anzufachen.“ (Nr.44)

Zusammenfassend könnte man sagen, dass sich die Instruktion für eine Pastoral der Nähe und Gemeinschaft einsetzt. Dass sich dies zugleich mit der zentralen Rolle des Pfarrers verbinden soll, lässt nur den Schluss zu, dass Rom kritisch auf schnelle Zusammenlegungen reagiert und lieber alte Strukturen so lange wie möglich belassen möchte. Dies ist sicher ein schwieriger Punkt des Textes. Das Alte beizubehalten ist schließlich nur an wenigen Stellen dazu geeignet, einen gleichzeitigen inhaltlichen Aufbruch zu ermöglichen. Gerade die inhaltliche, missionarische, diakonale und seelsorgliche Dimension soll aber für die Formung der Pfarreien zentral sein. Das Neue jedenfalls kommt nicht über Strukturen. Für die Pfarreileitung betont die Instruktion daher das geltende Kirchenrecht und erteilt Vorstellungen von „Leitungsteams“ eine Absage (Nr.66). Zu den Ausnahmefällen von der Leitung durch einen Pfarrer, die im Kirchenrecht in Can 517 definiert sind, zieht das Dokument die Leitung der Pfarrei durch mehrere Priester, von denen einer der „Moderator“ ist, als Alternative vor (Nr. 76f.). Bei Can 517,2, der die Leitung der Pfarrei durch vom Bischof beauftragte Personen ermöglicht, die nicht Priester sind, betont die Instruktion den besonderen Ausnahmefall:

„Es ist daran zu erinnern, dass es sich um eine außerordentliche Form der Übertragung der Hirtensorge handelt, die der Unmöglichkeit geschuldet ist, einen Pfarrer oder einen Pfarradministrator zu ernennen. Sie darf nicht mit der gewöhnlichen aktiven Mitwirkung und mit der Übernahme von Verantwortung durch alle Gläubige verwechselt werden.“ (Nr. 88)

Abschließend betont das Dokument die Bedeutung von Verwaltungsräten und Pastoralgremien als sinnvolle Instrumente bei der Gestaltung und Verwaltung der Pfarrei.

Die Instruktion sendet also widersprüchliche Signale aus. Auf der einen Seite bestätigt sie die Notwendigkeit und Bedeutung der Reform der Pfarreien, möchte diese allerdings als eine „inhaltliche Reform“ verstanden wissen. Organisation und Struktur der Pfarrei sollen weiter den bisherigen Mustern folgen. Damit werden die pastoralen Experimentierfelder der Bistümer deutlich eingeschränkt. Zugleich werden aber auch die Rechte der Gläubigen „vor Ort“ gestärkt, die sich auf den römischen Text berufen können, um diözesane Planungen zu erschweren. Ob damit allerdings auch die Bereitschaft zu einem inhaltlichen Wandel wächst, der dann wiederum die Struktur verändert, ist zumindest äußerst zweifelhaft. Gute neue Ideen brauchen häufig auch neue strukturelle Voraussetzungen. Dabei darf selbstkritisch angemerkt werden, dass strukturelle Veränderungen noch lange kein Garant für neue pastorale Impulse setzen. Es bleibt die schwierige Herausforderung der Gemeinden, wie auch der Diözesen, auf einem gemeinsamen Weg vorsichtig aber bestimmt eine neue missionarische und gemeinschaftliche Weggemeinschaft auf dem Weg in die Zukunft zu bilden.


[1] https://www.katholisch.de/artikel/26252-vatikan-laien-duerfen-keine-pfarrei-leiten-auch-bei-priestermangel

[2] https://www.feinschwarz.net/roma-locuta-causa-finita-warum-der-trierer-bischof-jetzt-widerstand-leisten-muss/

[3] Dazu habe ich an anderer Stelle schon geschrieben: https://sensusfidei.blog/2019/02/02/drohnen-oder-wozu-brauchen-wir-eigentlich-priester/

[4] Der Text im Wortlaut: https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2020-07/vatikan-wortlaut-instruktion-pastorale-umkehr-pfarrgemeinden-deu.html

3 Kommentare zu „Wer darf Pfarreien leiten? – Kontroverse um eine neue römische Instruktion

  1. Ich kommentiere nicht, ich füge einen Text ein, den ich leider nicht nur als Link kopieren konnte, darum ungekürzt:

    Wer soll denn da umkehren?
    von zulehner

    Zur Instruktion der Kleruskongregation „Zur pastoralen Umkehr der Pfarren“
    Es gibt helle Aufregung über die neue Instruktion der Kleruskongregation „Zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“. Dabei ist zu beachten, dass Instruktionen auf der Skala der Gewichtigkeit kirchlicher Dokumente ziemlich weit unten stehen.
    Eine wohlwollend-kritisch Lektüre lohnt sich allenthalben. Denn einige Aussagen verdienen durchaus Nach-Denken. Über andere sollte man den Mantel des befremdliches Schweigens hüllen: zum Beispiel wie wenig ein Römisches Dokument die biblischen Quellen zitiert.
    In wichtigen Punkten hinkt das Dokument weit hinter der Entwicklung in vielen Ortskirchen nach. So besehen hat es einerseits zukunftsfähige Aspekte, ist aber andererseits eine Art pastoraltheologisches Museum. Es ist wie in der dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen gentium), dass widersprüchliche Aussagen unbekümmert nebeneinander stehen: Hier eine Priesterkirche, dort die Kirche als Gottesvolk. Die Instructio bietet das Schauspiel eines ekklesiologischen Eiertanzes! Die Verantwortung des ganzen Gottesvolkes wird zwar rhetorisch beschworen („Kraft des Priestertums aus der Taufe sind alle Gläubigen dazu bestimmt, den ganzen Leib aufzuerbauen.“ [109]), auch wird der Klerikalismus in gewohnter Franziskusmanier verdonnert (z.B. bei Diakonen: [80]), aber wenn es um die Entscheidungsmacht geht, bleibt das Dokument munter „klerikal“. Kein Wunder, dass ein Aufschrei geht durch die große Anzahl engagierter Mitglieder des Gottesvolks, die man deshalb – wie auch die Priester – „Laien“ nennt. Pastoraltheologisch schmerzt der Satz, dass der Pfarrer der „grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde“ ist (62). So frei vom auferstandenen Christus die Pfarrgemeinde zu definieren ist ziemlich kühn.
    Anlass: Klagen klerikaler Kleriker
    Zu begrüßen ist allein, dass das Thema aufgegriffen wird. Anlass ist wohl eine erfolgreiche Klage von Klerikern aus der Diözese Trier, welche die geplante Strukturreform ihrer Diözese ablehnen. Ähnliche Vorgänge können auch bei uns in Österreich, beispielsweise in Linz, studiert werden. Diese Klagen sind an den im Kirchenrecht festgelegten Rechten der Pfarrer orientiert. Die Instruktion gibt ihnen weithin Recht: Die Leitung einer Pfarre(i) kann nur in der Hand eines Pfarrers liegen. Zugleich wird dann diesen Inhabern der heiligen (Voll-)Macht vorgeschrieben, „gewissenhaft“ auf die Laien zu hören, sich (auch durch pastorale Räte) beraten zu lassen und zuzusehen, dass die Kirchenmitglieder das tun, wozu die Pfarren „umkehren“ sollen, nämlich die Evangelisierung und darin insbesondere den Dienst an den Armen.
    Auch bei Strukturreformen Einzelfalllösungen
    Eine der Stärken des Dokuments besteht darin, dass sie die geschichtlich gewachsenen Pfarrgemeinden in Schutz zu nehmen. Das Prinzip der Einzelfalllösung (Nr. 49), aus Amoris laetitia vertraut, wird angewendet. Pfarrgemeinden dürfen nicht Opfer flächendeckender diözesaner Strukturpläne werden. Dabei gilt im Dokument, dass pastorale Zusammenarbeit in größeren Räumen durchaus erwünscht ist: es zeigen sich Ansätze eines „Netzwerkmodells“, in dem die Pfarrgemeinden eine Art „Knoten“ sind – neben denen es aber viele andere „Knoten“ gibt (Bildungshäuser, Caritas, Gemeinden anderer Konfessionen, Moscheen, Organisationen der Laien: 115-118; 123). Diese Zusammenarbeit allein darf aber nicht Grund für die Auflösung einer Pfarre(i) sein. Strukturreformen (48) oder auch die Profanierung von Kirchen (51) haben nicht der Bewältigung des Mangels an Klerikern oder finanzieller Ressourcen zu dienen, so wird ausdrücklich betont. Die einzige Begründung für Strukturreformen liege in der Frage, welche pastoralen Vorgänge strukturell sichergestellt werden müssen, damit das Kerngeschäft der Kirche, die Evangelisierung, in der heutigen Kultur gut geschehen kann. Diesen Perspektivenwechsel könnte man in der Tat als eine Art „pastorale Umkehr“ begreifen und herbeiwünschen.
    Inkonsequent und kryptoklerikal
    Schade ist, dass diese Spur nicht konsequent verfolgt wird. Das ist die Kernschwäche der Instruktion: Sie will einerseits neue Strukturen für die Evangelisierung und bindet darin die Gemeinschaften des Evangeliums vor Ort (Pfarrgemeinden) ein. Andererseits geht es um die kirchenrechtliche Absicherung des Klerus, seiner Letztverantwortung und damit auch seiner Macht. Die Instruktion will nicht klerikal sein, und ist dennoch unverkennbar kryptoklerikal. Damit verhindert sie (durch Kränkung vieler engagierter Laien) letztlich, was sie erreichen will: die pastorale Umkehr möglichst vieler Mitglieder der vielen durchaus lebendigen Pfarrgemeinden zu einer kultursensiblen Verkündigung des Evangeliums durch den Dienst an den Armen, die Verkündigung des Wortes und die absichtslose Feier des österlichen Geheimnisses in Eucharistie, Sakramenten und Wortgottesfeiern.
    Ungewollt innovativ?
    Die Instruktion könnte sich aber (vielleicht ungewollt) dennoch als innovativ erweisen. Sie hält unmissverständlich fest, dass der Dienst der geistlichen Leitung einer Pfarrei in Verbindung mit dem Vorsitz bei der Feier der Eucharistie und der Sakramente an die Ordination gebunden ist. Auch betont sie, dass auch die Pfarrgemeinden aus der Eucharistie als „Leib Christi“ (109) geboren und genährt werden (6, 22, 40, 98f., 123). Zugleich wird der Mangel an Priestern durchaus wahrgenommen (89f.). Dieser dürfe zwar bei Strukturreformen nicht als Begründung herangezogen werden – obgleich genau dies laut Studien faktisch der Fall ist, weil die längst fälligen Strukturreformen in Zeiten ohne akuten Priestermangel nirgendwo konsequent in Angriff genommen worden waren, sieht man von der Errichtung von Pfarrverbänden ab.
    Ich erhielt dieser Tage Post von einem Dechant. Er ist inzwischen für acht Pfarrgemeinden verantwortlich. Als Pallottiner fördert er, dem Geheiß des Ordensgründers folgend, Laien. Es gibt in seinem Umkreis auch genug kompetente Frauen und Männer in den Pfarrgemeinden, welche faktisch Leitungsaufgaben innehaben. Noch gibt es einen zweiten Priester im Pfarrverband: vorhersehbar aber nicht auf Dauer. Es ist angesichts der geringen Weihen von Neupriestern nicht einmal sicher, dass alle bisherigen Pfarrverbände morgen noch einen eigenen Pfarrer haben werden. Angesichts solcher sehr konkreten Situationen verbleibt die Instruktion im Abstrakten: Zentral sind ihr die Evangelisierung, die Feier der österlichen Liturgien (Eucharistie, Sakramente), der Dienst an den Armen, wobei es für Leitung und sakramentale Liturgien einen Ordinierten braucht.
    Es gibt pastoraltheologisch aus dieser Lage letztlich nur zwei Auswege: Entweder verzichtet die Kirche auf die Bindung von Leitung und Vorsitz bei sakramentalen Feiern auf die Ordination, oder sie ermöglicht das hehre Ziel der Evangelisierung in gewachsenen Pfarrgemeinden, indem pastoral „erfahrene Personen“ (Altbischof Lobinger nennt sie „personae probatae“) aus den Gemeinden selbst ausgewählt, ausgebildet und ordiniert werden. Für die Suche nach solchen Personen finden sich in der Instructio sogar Anhaltspunkte, wenn es um die „niederen Weihen“ von Laien als Akolythen und Lektoren geht: „Diese Laien müssen in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen , eine Ausbildung erhalten haben, die den Diensten, die sie ausführen sollen, angemessen ist, und eine beispielhafte persönliche und pastorale Lebensführung aufweisen, die sie für die Durchführung des Dienstes geeignet erscheinen lässt.“ (97) Es ist nicht erkennbar, dass in diesem Satz nicht auch die Frauen gemeint sind.
    Nimmt man zudem an, dass alle Getauften „Gottgeweihte“ (18 mal kommt dieses Wort vor: 28,33,37,41,60,83f,87,90, 95f., 98, 112, 117, 123; die „Laien“ 30 mal) sind, dann könnte ihnen der Ortsbischof auch die Dienste Wortgottesdienste feiern, taufen, beerdigen, trauen und predigen übertragen (98-100). Das antiquierte und praktisch auf Die Dauer unhaltbare Predigtverbot für Laien wäre dann unnötig (99).
    Für solche zukunftsfähige Innovationen braucht es aber keine pastorale Umkehr der Pfarren, sondern der Entscheidungsträger der Weltkirche – vor Ort (!) und in Rom. Vielleicht folgt alsbald eine „Instruktion zur pastoralen Umkehr der Ortsbischöfe wie der Kleruskongregation“. Diese würde dann nicht im (kirchenrechtlichen) Rahmen reformieren, sondern den Rahmen selbst.

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