Immer wieder bekomme ich verlockende Angebote zugeschickt. “2 Wochen Urlaub gratis”, oder “ein Geschenk ihrer Wahl zusätzlich.” “Sichern Sie sich jetzt ihr Gratis-Abo” Post mit solchen Versprechungen werfe ich gewöhnlich gleich in den Papierkorb. Die Regeln des Marktes sagen mir, dass ich von fremden Unternehmen nichts geschenkt bekomme. Wer mir etwas schenken möchte, erwartet auch etwas ganz Handfestes von mir: Eine Geldanlage, ein Abonnement, eine Mitgliedschaft, eine umfangreiche Bestellung. Jemand, der mich mit einem Geschenk ködern möchte, ist nicht seriös.
Worte wie “kostenlos” oder “gratis” haben bei uns eigentlich keinen guten Klang. Wer etwas kostenlos in Anspruch nehmen muss, legt seine Armut offen, der zeigt, dass er nicht mehr bezahlen kann, der geht eben zur Tafel oder in die Suppenküche. Unser Stolz ist es, für Dinge zu bezahlen, dass zu erwerben, was wir uns auch leisten können, an der Fähigkeit, zu bezahlen, unseren Stand festmachen.
Eine solche Einstellung ist schon dem Propheten Jesaja nicht fremd. Vor seinen Augen hat er die Israeliten in Babylon, in einer Gesellschaft von großem Wohstand. Die ehemals dorthin verschleppten haben sich akklimatisiert, haben Teil an Wohlergehen, am Luxus, an der Vielfalt der kulturellen und religiösen Angebote. Babylon ist ein Markt der Möglichkeit, auf dem sich Israel zu verlieren droht, die eigene Identität in die die sie umgebende auflöst. Mitten in diesen Zusammenhang stellt der Prophet Jesaja das Wort Gottes hinein:
“So spricht der Herr: Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide, und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung! Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen. Neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben. Ich will einen ewigen Bund mit euch schließen gemäß der beständigen Huld, die ich David erwies.” (Jes 55, 1-3)
Jesaja zeichnet Gott wie einen Marktschreier, der seine Ware anpreist, der den Vorübergehenden Getreide, Wein und Milch anbietet, die er verschenken möchte. Seine Gaben dürfen mitgenommen werden, sie sättigen und bringen Leben. Das Angebot Gottes ist groß, aber scheinbar nicht verlockend genug: “Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?”, fragt er. Warum verausgabt ihr Euch für Dinge, die das Leben im letzten nicht erhalten und verschmäht, was ich Euch anbiete? Seid ihr zu stolz, zu nehmen, was ich Euch biete; traut ihr Euch nicht, umsonst zu empfangen? “Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und ihr könt euch laben an fetten Speisen, neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben.
Das Misstrauen gegen das “Gratis” Gottes ist das Gleiche, wie das Misstrauen gegen das “Gratis” in der Werbung: Entweder ich bin so arm dran, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zu Gott zu kommen, oder ich vermute hinter der Werbung Gottes weitere Verpflichtungen: Dass ich dann Kirchensteuer bezahlen muss, oder, dass ich jetzt immer zur Kirche gehen muss, oder, dass ich mich ehrenamtlich in der Pfarrei engagieren muss. Außerdem bin ich auf das Geschenkte nicht angewiesen, solange ich mir alles andere aus eigener Kraft erwerben kann.
Aber das Geben Gottes ist anders. Das Evangelium von der Brotvermehrung erzählt davon. Zweimal taucht in ihm das Wort “geben” auf. Zunächst werden die Jünger aufgefordert: Gebt ihr den Leuten hier zu essen. Diese aber sagen: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische, soll heißen, wir haben gerade einmal genug für uns selbst. Wenn wir davon jetzt auch nicht den anderen etwas geben sollten, dann reicht es weder für uns, noch für sie. Dann aber nimmt Jesus die Brote und Fische, spricht den Segen über sie und gibt sie den Jüngern damit sie sie weitergeben. Und dieses Geben zeigt ein erstaunliches Resultat. Obwohl die Jünger von diesen Gaben geben und geben, kommen sie nicht an ein Ende, im Gegenteil, es bleiben noch zwölf Körbe übrig. Und diese Körbe bleiben nicht übrig, weil die Menschen dort auf dem Feld das Gratis-Angebot Jesu zurückgewiesen hätten oder zu stolz waren, es anzunehmen, sondern die Körbe bleiben zurück, obwohl alle genommen und gegessen haben, solange bis sie satt geworden sind. Was Gott gibt reicht für alle und immer noch für viele mehr. Wer von ihm nimmt, verschuldet sich nicht, sondern erhält die Fähigkeit, immer noch weiterzugeben, was er empfängt.
In der ganzen Szene ist nichts zu spüren von Misstrauen, sondern sie ist geprägt von einem großen Vertrauen, dass das, was dort gegeben wird schon das richtige ist, das man es gerne und ohne Vorbehalt annehmen darf, dass die Menge, so wie sie vorher das Wort, das Jesus ihnen gegeben hat, mit offenem Herzen aufgenommen hat, jetzt auch das Brot und den Fisch annimmt. Wenn Sie das nächste Mal, im Bild gesprochen, Gott auf dem Markt stehen sehen und er ihnen anbietet, zu ihm zu kommen, von ihm zu empfangen, lassen Sie ihn nicht stehen, sondern lassen sie sich in vollem Masse geben, was er Ihnen anbietet, so wird aus seinem Geben und ihrem Empfangen ein Weitergeben an andere werden, denn seine Gaben vermehren sich.