In der vorletzten Woche hatte der St. Anna-Treff zu einem Vortrag über die vielleicht schwierigste Zukunftsfrage der Menschheit eingeladen: Die ökologische Herausforderung. Davon wurde im Wahlkampf viel gesprochen. Tatsächlich steht die Politik weltweit vor der großen Aufgabe, wie der notwendige Wandel in eine klimaschonende und umweltverträgliche Zukunft gestaltet werden kann. Der Referent des Abends, Bruno Kern, präsentierte den Zuhörern einen ungewohnten Ansatz. Er ging davon aus, dass die Klimaziele allein durch technischen Fortschritt nicht zu erreichen seien. So sehr die Umstellung etwa auf regenerative Energien wünschenswert ist, so seien auch deren Möglichkeiten angesichts eines ständig wachsenden Energiebedarfs begrenzt. Zusätzlich, so meinte er, müssten wir uns auf etwas anderes einstellen, nämlich auf einen teils radikalen Verzicht. Autos in Privatbesitz zum Beispiel dürfe es auf Dauer nicht mehr geben, entsprechende Einschränkungen beim Bauen, beim Reisen, beim Einkaufen oder in der Landwirtschaft seien ebenfalls nötig. Das ist keine gute Perspektive und ich erwischte mich dabei, wie sich bei mir ein innerer Widerstand aufbaute. Würde ich wirklich auf das eigene Auto verzichten wollen? Könnte ich wirklich in einer Gesellschaft leben, wo die Mobilität stark begrenzt ist und Urlaubsreisen sich auf den Nahbereich beschränken? Würde ich wirklich meine Ernährung umstellen wollen? Ich glaube, so ging es vielen Zuhörern. Die Botschaft vom Verzicht kam nicht gut an. Ich will deshalb auch nicht einfach sagen, dass Herr Kern in dem was er sagte, Recht hat. Es ist mir angenehmer, an den technischen Fortschritt zu glauben und darauf zu vertrauen, dass der erfinderische Mensch schon Lösungen für die drängenden Probleme der Zeit finden wird. Aber der Vortrag hat mich zumindest ins Nachdenken gebracht. Werden wir tatsächlich den hohen Standard unseres Leben auf Dauer so halten können, auch angesichts der Tatsache, dass Millionen von anderen Menschen weltweit einen solchen Standard anstreben?
Vor diesem Hintergrund bekommt das Evangelium des heutigen Sonntags für mich noch einmal eine andere Note (Mk 9, 38-43.45.47-48). In ihm geht es ja um einen radikalen Verzicht. Die Bildworte, die Jesus wählt, sind drastisch: Trenne dich von dem, was dich zum Bösen und damit zur Verhinderung des Guten führt, und wenn es deine eigene Hand oder dein eigenes Auge wäre. Es geht um einen dramatischen Einschnitt. Die Leute damals dürften diese Worte verstanden haben. Für sie lag der dramatische Einschnitt darin, dass sie Christen geworden waren. Von nun an galten für sie andere Regeln. Sie mussten sich von vielen Dingen trennen, die ihnen vorher wichtig waren. Sie gingen zum Beispiel nicht mehr zu Festspielen, die zu Ehren der Götter veranstaltet wurden. Sie verweigerten den Militärdienst und machten sich dadurch in ihrem Umfeld verdächtig. Sie übernahmen strengere moralische Regeln, als sie in ihrer Umgebung üblich waren. Die Idee dahinter war: Wer einmal zum Glauben gefunden hat, tritt sozusagen in eine andere Weltordnung ein. Bei ihm verändert sich die Weltsicht. Er erkennt das Gute und Richtige teils an anderen Orten, als es seine Nachbarn taten. Den Verzicht, die radikale Veränderung nahmen sie auf sich, weil sie fest davon überzeugt waren, dass der Glaube an eine Welt unter den Vorzeichen des Gottesreiches etwas Neues und Besseres für die ganze Schöpfung bringen würde. In der Verkündigung des Gottesreiches lag ein Hoffnungsbild, manche sagen auch eine Utopie einer besseren und in ihren Tiefen geheilten und erlösten Wirklichkeit.
Sind wir einmal ehrlich: Die großen Einschnitten und radikalen Änderungen liegen uns nicht. Wir leben in einer komplizierten Welt, in der wir es gewohnt sind, Veränderungen nur langsam voranzutreiben oder sie erst zu akzeptieren, wenn es gar nicht mehr anders geht. Unheilsdrohungen und Heilsversprechen gegenüber sind wir äußerst skeptisch. Am meisten lernen wir doch aus Fehlern und Katastrophen. Welchen Visionen wollen wir folgen? Was sind Versprechen, die uns dazu motivieren, uns selbst tatsächlich radikal in Frage zu stellen?
Kirchlicherseits haben wir das Sprechen von der Hölle aufgegeben. Sie ist im Grunde die seelische Katastrophe der völligen Gottferne. Sie sollte den Menschen ein Schreckensbild sein, um ihren Lebenswandel zu überdenken und zu verändern. Ob wir da gesellschaftlich mit dem Bild der zusammenbrechenden Ökosysteme und der entstehenden kosmischen Hölle besser fahren? Angst ist ein schlechterer Antrieb als Zuversicht und Hoffnung. Solange uns ein positives Ideal, eine wünschenswerte Vision antreibt, werden Kräfte nicht gehemmt, sondern freigesetzt. Als eine solche Vision kann das Gottesreich noch heute dienen. Es verheißt eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit für alle Geschöpfe, also auch für Pflanzen, Tiere und die unbelebte Natur. Vielleicht kommen an dieser Stelle das heutige Evangelium und das Erntedankfest in passender Weise zusammen. Wo uns die Dankbarkeit für die Schöpfung motiviert, ihre Bedürfnisse und Rechte in unser Denken und Handeln einzubeziehen, erscheint es weniger schrecklich, sich der Schöpfung zuliebe immer wieder auch zurückzunehmen. Wo uns die positive Vision einer gelingenden und gerechten Welt trägt, kann ich bereit sein, meine eigenen Bedürfnisse und Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen. Das ist vielleicht nicht immer ein radikaler Einschnitt, aber immerhin ein Schritt in eine Zukunft von der wir hoffen, dass sie gut und lebensschaffend für uns uns und folgende Generationen sein wird.
Zum Thema „Klima“ wurde mein Leserbrief vom „Blitz am Sonntag“ nicht veröffentlicht. Er steht im Zusammenhang zu den Biologie-Aufgaben, die ich zum Thema verfasste (Ich bin Biologin); diese wurden online und in der print-Ausgabe veröffentlicht. Wenn man es mir erlaubt, veröffentliche ich den (zensierten?) Leserbrief hier. Zu diesem Text würde ich gerne auch an das Magdalenenhochwasser von 1342 erinnern, die schlimmste je dokumentierte Katastrohe genau in jenen Gebieten, welche 2021 von der Flut betroffen waren. Es regnete 1342 ununterbrochen und hörte nicht mehr auf, wochenlang, monatelang. Flutkatastrophen, Hungersnöte und Krankheiten führten zu vielen Toten. Übrigens sind die Antworten aus der Politik zu den Fragen der Experten klima.org abgeschlossen, hochinteressant, hier: „Regierung beantwortet Klimafragen – Wissen die, was sie tun?“ 21.09.2021, achgut.com
Und nun mein Leserbrief zum Nachdenken:
„Seltsamer Klimaexperte
„Klimaexperte“ Heinrich Timm analysiert Parteiprogramme (Blitz am Sonntag Nr. 36/31) und meint, Politiker könnten „den Klimawandel“, orientiert „an den Gesetzen der Biosphäre“, aufhalten. Er irrt. Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat es einmal sehr treffend ausdrückte: „Klimawandel gibt es, seit die Erde existiert“ und warnte vor einer Klimahysterie. Recht hatte er. Die Erde wechselt regelmäßig von Warmphasen in Kaltphasen seit sie existiert. Wir haben das Glück in einer Warmphase zu leben, vor Eintritt der Erde in eine Kaltphase, denn Kaltphasen bedeuten schon immer sehr schlimm Zeiten für menschliche Kulturen. Für diesen natürlichen Klimawandel ist die Umlaufbahn der Erde um die Sonne, die stetig wechselt, die Rotation der Erdachse sowie die sogenannten Sonnenflecken, also die Sonne, verantwortlich. Solche Prozesse werden durch Parteiprogramme nicht beeinflussbar sein. Neben diesen natürlich verlaufenden Klimawechseln, gibt es auch klimatische Artefakte, Perioden klimatischer Veränderungen. Klimaexperte Heinrich Timm sollte die Geschichte zurückverfolgen, etwa die kleine Eiszeit im Mittelalter betrachten (die nahm, so eine Trierer Historikerin, spezialisiert auf die Geschichte der Hexenverfolgung, maßgeblich Einfluss auf die Hexenverfolgung, denn man dachte, Hexen wären für diese kleine Eiszeit verantwortlich), die Varusschlacht (wäre da nicht ein Klimaartefakt zum Zeitpunkt der Schlacht gewesen, wäre die Schlacht, so Historiker, wahrscheinlich zu Gunsten der Römer ausgegangen) oder beispielsweise das Ende der Pharaonenherrschaft im Alten Ägypten, durch eine 20 Jahre anhaltende Dürre verursacht. Auch Flutkatastrophen, wie im Ahrtal, lassen sich über Jahrhunderte zurückverfolgen. Ich erinnere mich an eine Ansichtskarte, auf der eine Bäuerin vor einem völlig zerstörten Bauernhaus steht und im Untertext wird erzählt, ihr Mann und vier Kinder seien in der Flut ertrunken. Diese Karte datiert den 13. Juni 1910 (Für alle historisch Interessierten: Die Ahr und ihre Hochwasser in alten Quellen und im Ansichtskartenarchiv). Und einen Klimawandel-Sommer mit einem, wie drückt sich der Experte da aus, „vorgezogenen Herbst“ (als Folge eines menschgemachten Klimawandels?), haben wir auch nicht, sondern ganz normales Wetter. Da der „Klimaexperte“ offensichtlich historische und naturwissenschaftliche Wissenslücken besitzt, vielleicht hilft ja zum Nachdenken der Song von Rudi Carrell, der in den 70er Jahren zum Hit wurde: „Wann wird´s mal wieder richtig Sommer, ein Sommer, wie er früher einmal war?“ (Der Liedtext aus 1975 verrät viel über die heutige, von Helmut Schmidt bereits erkannte, Klimahysterie, lesens- und hörenswert) Also, bereits damals, ganz normale „vorgezogene Herbsttage“, aber ohne Klimaexperten.“
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Was schlagen Sie also vor? Weitermachen wie bisher? Alles laufen lassen? Alles halb so schlimm?
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So, wie es da steht: Einschnitte mit einer positiven Vision verbinden, keine Panikmache.
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Verzeihen Sie bitte, meine Frage ging Frau Sönnichsen. Die Aussagen in Frage zu stellen, aber dann nicht zu Ende zu denken, scheint mir
„nicht zielführend“, wie es heute oft unschön heißt.
Mit Ihnen bin ich d’accord!
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