Wir sprechen häufig über Probleme. Die politischen Diskussionen, von denen wir in der letzten Zeit soviel gehört haben, stellen meist die Frage, wie wir große Herausforderungen unserer Tage meistern können. Das Benennen von Missständen und Schwierigkeiten steht im Vordergrund. Man bekommt den Eindruck: Irgendwie läuft alles schief. Diese Wahrnehmung ist unvollständig. Es läuft nicht alles schief. Im Gegenteil: Das meiste läuft eigentlich gut. Manchmal kann es daher durchaus heilsam sein, sich dieses Gute wieder vor Augen zu stellen. Nicht, dass unser Leben und unsere Welt nur rosarot wären, aber sie sind auch nicht einfach nur düster und schwarz.
Mit den Texten des heutigen Sonntags betreten wir ein heißdiskutiertes Feld (Gen 2, 18-24, Mk 10,2-16): Das menschliche Zusammenleben. Genauer geht es um die Ehe und die Partnerschaft. Auch hier haben ich manchmal den Eindruck: Es wird immer nur über Probleme gesprochen: über Scheidungen, Krisen, neue Partnerschafts- und Familienmodelle, mangelnde Toleranz gegenüber nichtehelichen Gemeinschaften und vieles mehr. Schaut man in die Regenbogenpresse hat man den Eindruck: So völlig übertrieben über die Romantik von festlichen Trauungen gesprochen wird, so sehr stürzt sich die Presse anschließend auf jedes Anzeichen von Ehekrise. Die Grunderzählung des zerstörten Glücks und der nicht erfüllten Hoffnungen ist im Sinne des Aufmerksamkeitsmangements offenbar ziemlich verlockend.
Niemand möchte die Probleme bestreiten oder sich aktuellen Diskussionen entziehen. Manchmal lohnt es sich aber, auch einfach einmal auf das Gute zu schauen, ohne Verklärung, aber auch ohne übertriebenen Pessimismus.
Ich lebe bei diesem Thema aus der Erfahrung der anderen. Mir begegnen die jungen Paare im Traugespräch, die Menschen, die mir von Schwierigkeiten und Krisen in ihrer Partnerschaft berichten, aber eben auch diejenigen, die glücklich in ihrer Gemeinschaft zusammenleben. Besonders beeindruckend sind die Gespräche mit den Paaren, die sich anlässlich ihrer Gold- oder Diamanthochzeit bei mir melden. Sie schauen auf eine jahrzehntelangen Weg zurück. Sie sind häufig sehr realistisch. Sie können von den schönen und glücklichen Jahren genauso erzählen, wie von den schweren Erfahrungen. Sie berichten davon, wie sie ihren gemeinsamen Weg immer wieder justieren mussten, von den verschiedenen Lebensphasen und ihren Herausforderungen und sie alle schauen mit Sorge in die Zukunft. Was wird sein, wenn einer von uns einmal nicht mehr da ist? Dieses „ich will dich nicht verlieren“ ist auf der einen Seite eine Angst und damit ein negatives Gefühl, auf der anderen Seite aber eine Liebeserklärung. Im „ich will dich nicht verlieren“ steckt die Dankbarkeit über das Geschenk des Zusammenseins. Es ist ein anderer Ausdruck des Eheversprechens das ja heißt: „Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.“ „Es ist gut, dass du da bist, auch wenn das nicht heißt, dass immer nur alles eitel Sonnenschein war.“
Johannes Paul II. hatte als junger Priester in der Jugendseelsorge viel Kontakt mit jungen Paaren. Er schrieb damals einen Text, eine Meditation über die Ehe. Der Text heißt „Der Laden des Goldschmieds“. Dieser Laden ist der Ort, an dem sich die Ehepartner ihre Ringe ausgesucht haben, das Symbol ihrer Liebe und Treue. Zu ihm kehren nun Paare zurück, deren Gemeinschaft in die Krise geraten ist. Sie stellen sich gewissermaßen an den Anfang ihrer Beziehung und fragen sich, was sie jetzt, da alles kaputt zu gehen scheint, damals getragen hat. Was hatte ihnen ermöglicht, das „Ja-Wort“ zu sagen? Welche Hoffnungen und Gefühle haben sie getragen und was davon ist trotz allen Schwierigkeiten immer noch da? Sie stellen ihre Partnerschaft noch einmal auf die Probe. Sie schauen auf das Gute, dass sie getragen hat und müssen abwägen, ob dieses Gute sie heute noch tragen kann. Der Ausgang ist ungewiss. Nicht überall wird die Antwort positiv für den Partner ausfallen. Menschen verändern sich. Beziehungen verändern sich. Nicht alle werden zusammenbleiben. Was im Anfang war bleibt nicht in gleicher Weise erhalten, aber dass es da war, die Liebe, die Freude aneinander, der Wille zur Treue, allein das war schon gut. Kann ich es wieder hervorholen, wieder daran anknüpfen, neu zum Goldschmied gehen und die Verbindung wieder besiegeln? Jesus weist im Evangelium auf diesen Anfang hin. Er zeigt damit auf das Gute des Menschen, der aus göttlicher Liebe gewollt und angenommen ist. Dieses „im Anfang“ geht auf den manchmal stürmischen Wegen nicht verloren. Das „Ja-Wort“ Gottes bleibt. Unter all den Problemen unserer Zeit und vielleicht auch unseres Lebens lohnt es sich immer wieder, zu diesem Ursprung zurückzugehen, dorthin, wo ich gewollt, angenommen und geliebt bin.