Krieg ist in sich etwas Schlechtes. Die alttestamentliche Lesung am ersten Adventssonntag erinnert daran, wenn es in ihr heißt, dass im Reich Gottes die „Schwerter zu Pflugscharen“ geschmiedet werden (Jes 2,4). Umso mehr mag es erstaunen, dass kurz darauf, in der zweiten Lesung die Kriegsmetapher wieder aufgegriffen wird, diesmal in einem positiven Sinn:
Brüder! Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht. Legt als neues Gewand den Herrn Jesus Christus an. (Röm 13,11-14a)
Paulus verwendet hier das adventliche Thema des „Wachens“. Gegen die Bedrohungen und Anfeindungen des Lebens schlägt er vor, „Waffen des Lichts“ anzulegen. Er knüpft damit an die bewaffneten Wachen an, die die Stadt in der Nacht vor Eindringlingen schützen sollen. Die Stadt ist wehrhaft.
Was hier ausgetragen wird, ist nicht ein weltlicher, sondern ein geistlicher Kampf. Die Nacht ist die Zeit der Versuchungen. Wenn der Mensch müde wird, schwinden seine Widerstandskräfte. Es wird den Angreifern, hier den Anfechtungen und Sünden, leichter, in die Stadt, also in das Innere des Menschen zu gelangen.
Ich glaube, diese Erfahrung ist sehr realistisch. Wenn ich darauf schaue, wann ich Dinge tue, die ich eigentlich nicht tun möchte, haben diese Dinge häufig mit meiner eigenen Schwäche zu tun. Wann habe ich etwa im Zorn etwas gesagt oder getan, was ich später bereue? Wann bin ich nachlässig gegenüber meinen Verpflichtungen anderen gegenüber geworden? Wann habe ich, angefangen vom Kaufrausch, über übermäßiges Trinken bis zum komatischen Medienkonsum, Dinge getan, die ich mir selbst gegenüber eigentlich vermeiden wollte? Gehe ich diesen Situationen nach, merke ich, dass es häufig Situationen waren, in denen ich selbst müde, gestresst, überfordert, verzweifelt oder verletzt gewesen bin. Die Nacht hat als Symbol für die eigene Angreifbarkeit hier durchaus Sinn. Wie soll ich also der Nacht begegnen?
Von Ignatius von Loyola gibt es hierzu eine interessante Episode seines geistlichen Weges. Sie spielt in den Jahren, in denen Ignatius noch auf der Suche nach richtigen Art und Weise ist, Gott zu dienen. Er geht zum Marienheiligtum auf dem Montserrat. Dann heißt es: „So entschloss er sich, eine ganze Nacht, ohne sich setzen oder zu legen, sondern stehend und zeitweise kniend Waffenwache vor dem Altar unserer Herrin vom Montserrat zu halten. Er hatte beschlossen, dort seine Kleider zu lassen und sich mit den Waffen Christi zu kleiden“.[1] Ignatius möchte also das oben zitierte Pauluswort in die Tat umsetzen und zu einer Nachtwache werden. Er, der selbst früher Soldat eine Fürsten gewesen ist, verwandelt sich in einen Soldaten Christi. Was also macht er? Er legt zunächst die Beichte ab. Dann entledigt er sich der Waffen, die er bei sich trägt. Er verschenkt seine Kleidung an einen Armen. Ignatius wechselt also sein weltliches Leben mit einem geistlichen. Die Waffen, die er von nun an tragen möchte, sind geistlicher Natur, ein fester Glaube, der Wille zur Umkehr und Buße, die Liebe zum Nächsten.
Mit einem solchen heldenhaften Umschwung hat unser Leben in der Regel wenig zu tun. Dennoch stellt sich doch für das geistliche Leben eine ähnliche Frage: Wie kann ich der „Nacht“ begegnen? Das Anlegen der „Waffen des Lichts“ und die Wachsamkeit sind dabei Zeichen für die Stärkung des Guten in mir. Was ist mir gegeben, um den Versuchungen etwas entgegenzusetzen? Psychologisch könnte man heute sagen: Was stärkt mich im Sinne einer geistlichen „Resilienz“, also der Fähigkeit, gestärkt aus den Nachterfahrungen hervorzugehen?
Als kleine Übung zu Beginn der Adventszeit könnte ich versuchen, dieser Frage in meinem Leben nachzugehen. Ich kann Gott im Gebet um einen ungeschönten Blick auf mich selbst bitten. Dies tue ich nicht, um mich selbst schlecht zu machen, oder schlecht zu fühlen, sondern im Vertrauen darauf, dass Gott mich in seiner Liebe immer wieder aufrichten und aufbauen möchte. Ich kann dann in den nächsten Tagen einfach notieren, welche Versuchungen (Nachterfahrungen) mir in meinem Leben immer wieder begegnen. Viel wichtiger ist allerdings, dass ich dagegen setzen kann, was mir an Stärke gegeben ist. Das können Dinge sein wie: Selbstbewusstsein, ein ausgeprägtes Gewissen, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, die Fähigkeit zum Beten, Ausdauer oder Zähigkeit, ein fester Glaube, eine positive Weltsicht, Humor, Ausgeglichenheit, Interesse für andere, Wohlwollen und vieles mehr. Das sind meine „Waffen des Lichts“. In einer dritten Spalte könnte ich vermerken, was mich an äußeren Faktoren stört, was mich also von außen her angreifbar und schwach macht. Hier könnten Dinge stehen wie: voller Terminkalender, Schlafmangel, körperliche Schwäche, ein Kopf, der nicht frei werden kann, Mangel an frischer Luft oder Bewegung, stressvolle Beziehungen. Diese äußeren Faktoren sind nicht immer gleich aus der Welt zu schaffen. Ich kann aber trotzdem versuchen, das eine oder andere, was mich derzeit schwächt, anders zu machen.
Der Kampf gegen die Versuchung und damit auch gegen die eigene Unzufriedenheit mir selbst gegenüber darf nicht ein verzweifeltes „Dagegen-Anrennen“ werden. Vielmehr ist er die Erweckung der eigenen Stärke und die Überwindung der eigenen Müdigkeit.
[1] Ignatius von Loyola, Bericht des Pilgers, Ausgabe: Würzburg 2002, 59ff.