Investments für das Himmelreich

Nach der Europawahl verfolgte die Presse intensiv das Ringen um die Besetzung der neuen Kommissionschefin der EU. Im Schatten dieses Personalkrimis wurde allerdings noch eine weitere wichtige Entscheidung getroffen, indem man eine neue Leiterin der Europäischen Zentralbank vorschlug. Einige Europakenner sagten, dass dies eigentlich der wichtigere Posten sei. Hier werde schließlich die Geldpolitik für die nächsten Jahre gemacht. Die zentrale Frage für die Wirtschaft ist: Bleiben die Zinsen so niedrig wie zur Zeit oder werden sie langsam wieder steigen? Wer derzeit eine gute Geldanlage machen möchte, muss erfinderisch sein – oder sehr risikofreudig. Sparer, Banken, aber auch Versicherungen und Stiftungen, die ihren Ertrag aus den Zinsen erwirtschaften, sind seit Jahren in der Krise. Kein Wunder, dass in einer solchen Situation die Menschen ihr Erspartes lieber ausgeben und ihre Häuser renovieren, ein neues Auto kaufen, oder schöne Urlaube machen.

Das Evangelium schlägt eine auf den ersten Blick etwas erstaunliche Geldanlage vor:

„Verkauft euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst! Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ (Lk 12, 33f.)

Angesichts des bevorstehenden Reiches Gottes gibt Jesus den Menschen also eine ziemlich genaue Anweisung zum Umgang mit ihrem Besitz. Er nimmt möglicherweise ein altes Sprichwort auf: „Wo Euer Schatz ist, da ist euer Herz“. Der Satz ist recht verständlich und einfach: Wo ich meinen Besitz habe, dahin gehen auch meine Sorgen und meine Gedanken. Habe ich ein Haus, werde ich mich um das Haus kümmern, habe ich Aktien, werde ich ihren Kurs intensiv verfolgen, habe ich ein neues Auto, werde ich beim Fahren vorsichtig sein und es intensiv pflegen. Es ist nicht nur so, dass ich einen Besitz habe, genauso hat der Besitz auch immer mich. Wie wäre es also, wenn mein Besitz nicht materiell wäre, sondern wenn er darin bestünde, dass ich mein Geld einsetzte, um anderen Menschen zu helfen? Wenn dann bei ihnen meinen Herz ist und ihr Herz bei mir, entsteht eine neue Form der Gemeinschaft und im besten Fall eine Gesellschaft, in der Arm und Reich sich einander angleichen.

Diese Form der Geldanlage hat in der Kirchengeschichte übrigens eine besondere Bedeutung gehabt. Aus dem frühen 5. Jahrhundert gibt es eine interessante Anekdote.[1] Ein reiches römisches Ehepaar, Melania und ihr Mann Pinianus schockierte im Jahr 405 die römische High Society, als es seinen gewaltigen Besitz mit einem Mal verkaufte. Die beiden waren Christen geworden und hatten sich einem bedeutenden christlichen Lehrer angeschlossen. Dieser hatte ihnen mit Blick auf das Evangelium die Besitzlosigkeit als Weg zum Heil empfohlen. Eines Nachts hatten die beiden einen Traum, von dem sie später berichteten:

„Wir sahen uns selbst, beide, wie wir durch einen winzig schmalen Spalt in der Wand entschlüpften. Uns erfasste Panik angesichts des beengten Raums, so dass wir schon glaubten, wir müssten sterben. Doch als wir den Schmerz und die Angst jenes Ortes hinter uns gelassen hatten, da überkamen uns große Erleichterung und eine unaussprechliche Freude.“

Was Melania und Pinianus dort schildern, ist die Erfahrung des Kamels, das durch ein Nadelöhr geht. Sie erlebten den Verkauf ihres Besitzes als Erleichterung und Befreiung. Indem sie ihren Schatz zurückließen, erwarben sie etwas viel Wichtigeres: Freude und Freiheit des Gottesreiches.

Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Sie hat nämlich eine problematische Wendung. Das Ehepaar begann nämlich, mit seinem Geld überall im Land Kirchen- und Klosterstiftungen zu errichten. Die Kirche wurde mit einem Mal mit Geld überzogen. Was sich erst einmal positiv anhört, bereitete bald Probleme. Die vielen Stiftungszwecke konnten auf Dauer gar nicht erfüllt werden und in Zeiten schlechter Zinsen warfen die Stiftungen auch finanziell nichts mehr ab. Der große Geldsegen erwies sich als Fehlinvestment.

Augustinus nahm diesen Fall zum Anlass, um noch einmal intensiver über das Evangelium nachzudenken. Er lehnte einen solchen radikalen Schritt, wie ihn Melania und Pinianus vollzogen hatten ab. Stattdessen ermahnte er die Reichen, lieber immer wieder kontinuierlich Geld an die Armen zu geben. Die kleinen täglichen Almosen hätten, so sagte er es, deutlich höheren Wert. Sie sind Anzahlungen für den Schatz im Himmel, Mikroinvestments, die ohne sichtbaren Ruhm für die Spender bleiben. Die Armen sind in den Bildern der damaligen Zeit diejenigen, die wegen ihrer Besitzlosigkeit dem Himmelreich ohnehin viel näher sind als die Reichen. Ihnen wird das Geld anvertraut und sie zahlen es gewissermaßen in die Kasse des Gottesreiches ein. Das Almosengeben war also nicht nur ein gutes Werk, sondern zugleich auch Mittel, um Gott näher zu kommen.

Inwieweit Sie heute einer solchen Argumentation folgen wollen, weiß ich nicht. Sicher, man kann sich den Himmel nicht erkaufen. Aber die Frage, wie ich meine Mittel einsetzen möchte, bleibt doch die Gleiche. Etwas Gutes damit zu tun ist heute genauso richtig wie damals und etwas Gutes zu tun aus christlicher Nächstenliebe ist heute ebenso ein gutes Werk wie damals. Wenn mein Herz da ist, wo mein Schatz ist, kann ich guten Gewissens davon ausgehen, dass mein Schatz, oder zumindest ein kleiner Teil davon gut aufgehoben ist, wo er den Armen unterstützt und stärkt. Die Zinsen daraus werden mich materiell nicht reich machen, vielleicht aber doch reicher, als ich es vorher gedacht habe.       


[1] Das folgende Beispiel und das Zitat stammen aus: Brown, Peter, Der Preis des ewigen Lebens, Darmstadt 2018, 106-117.

Ein Kommentar zu „Investments für das Himmelreich

  1. Ich lebe mit Gott, er führt mich. Gottvertrauen leben ist Gnade. Ich habe Geld zum Überleben. Armutsgrenze in Deutschland.

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