Das Heilige Jahr 2025 stand unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Auch wenn die Zeit des Heiligen Jahres noch nicht ganz vorbei ist (es endet am 06.01.2026), habe ich mir einmal die Frage gestellt, was mir bezogen auf die Katholische Kirche zurzeit Hoffnung macht. „Das dürfte nicht viel sein“ – mag man denken. Auch 2025 wurden in Deutschland wieder riesige Austrittszahlen gemeldet. Die Zahl der Priesterweihen ist auf einen Allzeit-Negativwert gesunken. Überall gibt es in den Bistümern Strukturprozesse und Einsparbemühungen. Der Synodale Weg hat auf viele Themen hingewiesen, in denen die Synodalen Reformbedarf sehen. Auch das Thema „Missbrauch“ ist weiterhin präsent. Also, alles schlecht? Ja, irgendwie schon – zumindest, wenn man mit „deutscher Brille“ auf die Kirche blickt, also das wahrnimmt, was in den Bistümern unseres Landes passiert. Die Hoffnung allerdings schaut nicht so sehr auf das, was gerade ist, sondern versucht, die Zeichen der Zeit zu deuten, um in die Zukunft zu sehen. Was wird sich entwickeln, wie geht es weiter? Ich habe ein paar solcher Hoffnungszeichen ausmachen können, ein paar Entwicklungen, aus denen etwas Positives entstehen könnte.
1. Der ruhige Papst
Ein prägendes kirchliches Ereignis im Jahr 2025 war der Tod von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers Robert Prevost, der als Leo XIV. seit einigen Monaten die Weltkirche leitet. Papst Franziskus wurde während seiner Amtszeit häufig von einem gewaltigen Medienecho begleitet. Gerade in seinen ersten Jahren hatte man zuweilen den Eindruck, die Katholische Kirche bestehe hauptsächlich aus dem Papst.
Franziskus wusste diese Aufmerksamkeit zu nutzen, etwa, als er medienwirksam nach Lampedusa reiste und den europäischen Staaten den Gewissensspiegel vorhielt. Der Papst lieferte reichlich Stoff zur Diskussion. Er hielt mehr Predigten als seine Vorgänger, gab mehr Interviews, wurde als Person durch zahlreiche Filme und Bücher auch Nicht-Katholiken nähergebracht. Das Erste, was an seinem Nachfolger auffällt: Man hört von ihm deutlich weniger. Dies muss nicht heißen, dass er weniger tut. Vielmehr ist er als Persönlichkeit weniger markant sichtbar als sein Vorgänger. Nachdem sich der Hype um Leo XIV., der im Zuge seiner Papstwahl entstanden war, gelegt hat, fragt sich die Öffentlichkeit: Was tut dieser Papst? Leo scheint erst einmal „back to normal“ zu gehen. Er hält sich bislang mit spektakulären Gesten, Entscheidungen oder Reisen zurück.
Dieser „ruhige Papst“ weckt Vertrauen und Hoffnung auf eine umsichtige, langfristig angelegte Leitung der Weltkirche, die vielleicht wieder etwas stärker die christliche Botschaft in den Vordergrund treten lässt, als den Botschafter in den Mittelpunkt zu rücken. Auch der Papst ist eingebunden in die Gesamtkirche und in ihre Traditionen. Er tritt als Person etwas hinter sein Amt zurück. Diese Zurückhaltung kann Freiraum bieten, sowohl medial, als auch für die Gesamtkirche. Es könnte für Bischöfe und andere Verantwortliche Anregung sein, es dem Papst gleichzutun und mit etwas mehr Bedacht in die Zukunft zu schauen. Die Zeiten, in denen man jeden Tag irgendeine Neuigkeit aus dem Vatikan erwartet, dürften vorbei sein. Diese Ruhe könnte ruhig stilbildend werden. Sie ist nicht ein Zeichen für Stillstand, sondern eher für ein gutes, strukturiertes Arbeiten, das auf langfristige Wirkung zielt.
2. Der Glaube interessiert
Im Sommer habe ich hier das erste Mal über das Phänomen eines zunehmenden Glaubensinteresses, vor allem bei jüngeren Leuten geschrieben. Der Eindruck von damals ist mittlerweile auch von anderen bestätigt worden. In der Pfarrerkonferenz im Herbst erzählten alle Teilnehmer von ähnlichen Erfahrungen. Die Glaubenskurse sind gut nachgefragt. Das erlebe ich auch in unserer Pfarrei. Es scheint, dass die jetzige jüngere Generation insgesamt wieder mehr auf der Suche ist – diese Suche ist nicht allein religiös, sie scheint sich insgesamt auf Fragen der Zugehörigkeit, der Gemeinschaft und auch der gemeinschaftsstiftenden Ideen zu beziehen. Ich erlebe zumindest, dass viele junge Leute kirchlich wieder etwas interessierter sind.
Mit aller Vorsicht: Diese Entwicklung lässt sich statistisch noch schlecht belegen. Wir werden erst in den nächsten Jahren sehen können, ob die Zahl der Erwachsenentaufen oder Konversionen zunimmt. Zudem gleicht ein solcher angenommener Zuwachs den Mitgliederschwund durch Kirchenaustritte und Versterben nicht aus. Trotzdem: Die Entwicklung ist bemerkenswert, hatten wir angesichts der Erfahrung der letzten Jahrzehnte innerkirchlich schon vermutet, die Jugend gänzlich zu verlieren. Meine Frage ist, was wir kirchlicherseits tun können, um diesem zarten Aufschwung nicht im Weg zu stehen. Die Frage ist nicht banal. Meine Einschätzung ist, dass die Katholische Kirche für junge Leute attraktiv ist, wenn sie katholisch ist, als Religionsgemeinschaft sichtbar ist, in der Verkündigung, Gebet, Katechese, Nächstenliebe und Gottesdienst im Vordergrund stehen. Attraktiv wird die Kirche nicht durch die Einführung neuer Gremien und attraktiv wird sie nicht, wenn sie versucht, die Neuinteressierten in die „alten Schläuche“ der gewohnten Gemeindepastoral zu integrieren. Es werden, so meine Hoffnung, neue Glaubensgemeinschaften entstehen, die anders sein werden als unsere heutigen Gemeinden.
3. Das Potential des Internets
Wenn mir, wie eben geschildert, junge Leute mit Interesse am Glauben begegnen, sind sie meist bereits vorher mit „katholischem Content“ in Berührung gekommen. Das wichtigste Verkündigungsmedium ist heute das Internet. Es ist der kirchliche „Vorhof“, also der öffentliche Raum, in dem ich mich bewege, bevor ich dann vielleicht einen Gottesdienst oder Glaubenskurs besuche. Die Bedeutung des Netzes wird noch unterschätzt. Der Grund dafür ist einfach: Kirchlich engagierte Leute haben meist „ihre“ reale Gemeinde oder Gemeinschaft. Sie hoffen darauf, dass Menschen in den ihnen vertrauten Gruppen und Formaten andocken oder auf neue „Gemeindeprojekte“ aufmerksam werden.
Eines der großen Missverständnisse der letzten Jahre war aus meiner Sicht die Etablierung einer niedrigschwelligen Pastoral. Man wollte neue Leute ansprechen, indem man die Kirche leicht zugänglich machte. Dabei ergeben sich drei Probleme: 1. Die Reichweite analoger Projekte ist sehr begrenzt. 2. Die Menschen, die ich ansprechen möchte, werden im Grunde nicht ernstgenommen, wenn man ihnen die Herausforderungen der christlichen Lehre und Lebensweise erspart. Niedrigschwellige Angebote entfalten so keine nachhaltige Wirkung. 3. Die kirchlich Aktiven glauben, diese Angebote seien für sie gedacht. Sie begeben sich auf das Niveau der Niedrigschwelligkeit herunter. Irgendwann ist „Kirche“ dann eben alles.
Die erfolgreichen katholischen „Internetapostel“ wie der amerikanische Bischof Barron sind eher explizit katholisch unterwegs. Es wäre aus meiner Sicht erforderlich, die „Internetmission“ auszubauen und sie nicht allein den Medienleuten der Bistümer zu überlassen, die wichtig für Produktion und Design sind. Es braucht glaubhafte Zeugen des Evangeliums, die vor die Kamera treten.
Es sind nicht so sehr die Bistümer, die den Trend verstanden haben, sondern eher private katholische Medienunternehmen, die in letzter Zeit mit zunehmender Qualität und Reichweite für christlichen „Content“ sorgen. Von ihnen könnte man einiges lernen. Selbst auf einem mittlerweile recht veralteten Medium wie „facebook“ erreicht nach meiner Erfahrung jede Meldung mehr Interessierte als die Gesamtauflage des Pfarrbriefs stark ist. Gerade unter den Bedingungen des Rückgangs der analogen Struktur durch Auflösung von Kirchen und Gemeinden bietet der digitale Raum weiterhin mehr Möglichkeiten als wir nutzen. Dieses Potential eröffnet Möglichkeiten für die Zukunft.
4. Wandel der kirchlichen Infrastruktur
Die Zeit der flächendeckenden Gemeindepastoral geht aus Personalmangel zu Ende. Das ist aktuell der große Kummer der Bistümer. Die Strukturveränderungen zur Neuorganisation der Pfarreien lässt alle Diözesen erfinderisch werden. Die Hoffnung für die Zukunft allerdings ist für mich nicht mehr, diese Form der christlichen Vergemeinschaftung in den nächsten Jahrzehnten wiederbeleben zu können. Es werden sich neue Gemeinschaften bilden müssen, die wahrscheinlich kleiner sind. Der Trend geht in eine Richtung, die Joseph Ratzinger aber auch der große Theologe Karl Rahner weitsichtig vorausgeschaut haben. Die katholische Kirche wird in Westeuropa erstmal eine „kleine Herde“ werden.
Was mir Hoffnung macht, ist, dass hier langsam etwas in Bewegung kommt. Der Entwicklungsprozess SESAM im Erzbistum Hamburg hat dazu erste Impulse geliefert: Beschränkung des Angebots durch Schaffung zentraler Orte mit guter Ausstrahlung statt Versorgung der „Fläche“. Dieser Impuls ist ein wenig aus Angst vor der eigenen Courage wieder eingedämmt worden, so dass man jetzt wieder von der Bedeutung des „Territoriums“ spricht. Die Entwicklung wird aber die anfangs beschriebene Richtung nehmen. Wenn wir tatsächlich aus dem beständigen Abbau herauskommen wollen, dann müssen wir an einigen Stellen neu aufbauen, auch wenn dies aufgrund der beschränkten Mittel nur wenig sein werden. Damit entwickelt sich eine schmerzvolle, aber zumindest auf längere Sicht hoffnungsvolle Neuausrichtung der Seelsorge – es könnte zumindest so kommen.
5. Der Synodale Weg
Dass ich hier den Synodalen Weg nenne, mag einige überraschen. Bekanntlich bin ich kein Freund des Prozesses, den die Bischofskonferenz angestoßen hat – zumindest nicht in der Form, wie er angestoßen wurde. Nach den anfänglichen Aufgeregtheiten der Synodalversammlungen und dem Versuch, die Kirche „auf links“ zu drehen, ihr also ein liberales Reformprogramm zu verschreiben, ist wieder etwas mehr Ausgewogenheit eingetreten. Papst Franziskus hat die deutschen Bischöfe und Synodalen in den weltweiten synodalen Prozess eingebunden. Er hat damit deutlich gemacht, dass die Kirchenoberen nicht ohne den „sensus fidelium“, das Glaubensgespür der Gläubigen auskommen können. Zudem ist deutlich geworden: Dieses Gespür geht innerkirchlich in verschiedene Richtungen und Schwerpunkte. Es gibt nicht die eine kirchliche Agenda (schon gar nicht weltweit), die alle Probleme lösen kann.
Insofern sehe ich im deutschen „Synodalen Weg“ ein Lernforum für eine gelingende Synodalität. Die Ereignisse der Synodenaula haben dabei immer wieder auch deutlich Fehlentwicklungen gezeigt, wenn die Beratungen zu einem Machtkampf zur Durchsetzung bestimmter Positionen wurden. Etwas behutsamer geht es bestimmt besser voran. Im Augenblick versucht die Bischofskonferenz, mit einem ständigen synodalen Ausschuss die gemeinsamen Beratungs- und Entscheidungsstrukturen zu verstetigen. Neue Gremien allein stellen aber keine Lösung dar. Die Krise der Kirche ist keine Krise, die technisch gelöst wird, sondern eine Krise, die durch gemeinsame Glaubenserfahrung und eine Haltung der gegenseitigen Achtung ausheilen kann. Ich habe die Hoffnung, dass sich hier mehr entwickeln kann, zumal auch Papst Leo die „Synodalität“ zu den wichtigen Zukunftsthemen zählt.
6. Weniger Geld, mehr Kontrolle
Weniger Geld ist nie gut – sollte man meinen. Zurzeit dämpfen alle Bistümer in Deutschland ihre Ausgaben. Die Zeiten sprudelnder Kirchensteuereinnahmen gehen wohl zu Ende. Sie hatten die Bistümer in die Lage versetzt hatten, viel Personal und viele Immobilien vorzuhalten, viele Institutionen und Projekte zu finanzieren. Die Notwendigkeit zu sparen, hat auch etwas Gutes. Künftig wird man sorgfältiger sein müssen. Im Zuge der Finanzierung kommen auch die inhaltlichen Fragen neu auf den Tisch. Welche Bereiche des kirchlichen Lebens sind primär zu erhalten, welche laufen aus?
Zudem wird die Ausgabendisziplin wachsen. Die Bischöfe haben sich über neue Generalrichtlinien zur Vermögensverwaltung verständigt. Zukünftig erhalten die Kontrollgremien, von denen eines eine Vertretung der Kirchensteuerzahler ist, mehr Einspruchsrechte.[1] Entscheidungen über teure Bauprojekte oder den Erhalt von Institutionen müssen mehr als bisher von einer Vielzahl von Gremienverantwortlichen geprüft werden. Mehr Kontrolle heißt in der Regel auch mehr Vorsicht. An dieser Stelle wir das synodale Prinzip sehr sinnvoll angewandt. Schließlich steuert man pastorale Schwerpunktsetzungen nach meiner Erfahrung häufig schnöde eher über Geld und Personal, als über große Ideen und Konzepte.
7. Die Kirche wächst
Die Katholische Kirche ist, manchmal zu ihrer eigenen Überraschung, im Wachstum. Für das Jahr 2023 vermeldete der Vatikan vor Kurzem ein Wachstum der weltweiten Mitgliedszahlen um 1,15%.[2] Das hört sich nicht sehr spektakulär an. Da das weltweite Bevölkerungswachstum allerdings nur 1,03% beträgt, steigt die Zahl der Katholiken im Verhältnis überproportional an.
Es ist in den Rückgangsnachrichten in Europa manchmal ganz hilfreich, sich dieses Phänomen vor Augen zu führen. Zwar ändert sich damit an unserer Situation nichts. Zugleich aber zeigt sich, dass die Kirche immer noch Attraktivität besitzt, dass sie eine Heimat für 1,4 Milliarden Menschen weltweit ist. Papst Franziskus hat daraus bereits Konsequenzen gezogen, indem er sich um eine zunehmende Globalisierung der Kirche bemühte. Die wachsenden Kirchen Afrikas und Asiens bekamen deutlich mehr Gewicht. Die europäische Dominanz geht zurück. Meine Hoffnung ist, dass diese Verschiebung neue Impulse bringen und eine Verlebendigung erwirken wird. Eine konsequente Haltung wäre, zu akzeptieren, dass aus dem alten Europa gesamtkirchlich ein Sanierungsfall geworden ist. Es tut uns vielleicht gut, ein wenig mehr in den Schatten zu treten und anderen, stärkeren Ortskirchen den Vortritt bei der Gestaltung der Kirche zu überlassen. Wir können uns davon entlasten machen, von Deutschland aus die Fragen der Weltkirche beantworten zu müssen.
[1] „Romgrenze“ erhöht: Mehr Spielraum für kirchliche Vermögensverwaltung – katholisch.de
[2] Katholische Kirche wächst global – besonders in Afrika – Vatican News
Guten Morgen,
interessanter Vergleich bzgl. Franziskus und Leo. Aber was mich ernsthaft verwundert: Sind Sie wirklich der Meinung die katholische Kirche hätte wenig Geld? Ist das Uninformiertheit oder Blindheit?
Die katholische Kirche ist wahrscheinlich die einzige Organisation weltweit, die den TechBro mit ihren irdischen Besitztümern Konkurrenz machen könnte (ohne genaue Zahlen zu kennen, eine grobe Schätzung 😇).
Die Katholische Kirche könnte wesentlich mehr geben als nehmen. Das ist möglicherweise ein Grund, warum die Einnahmen zurückgehen 🤔
Es grüßt Sie Pettersson 🐑
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Es gibt den Mythos, die Kirche sei unendlich reich. Das stimmt in gewisser Weise auch. Sie beschäftigt allerdings in Deutschland auch Zehntausende Menschen . Ich plage mich als Pfarrer in Schwerin aktuell mit einem Haushaltsdefizit für unsere Pfarrei von jährlich 100 000 Euro und das, obwohl wir recht bescheiden leben und keine großen Investitionen machen. Wir sparen gerade an allen Enden. Das Problem vieler Bistümer: z
Marode Krankenhäuser, Löcher on den Rentenrücklagen, teure Zuzahlungen für katholische Schulen. Ich habe zu dem Thema auch hier schon geschrieben…
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