Licht verbreiten

Das Licht kündigt Großes an. Bei den Propheten Gottes ist das Kommen des Heils, das Kommen Gottes mit Zeichen verbunden. In das Dunkel der Welt strahlt auf einmal das helle Licht. Dieses weihnachtliche Motiv wird bei der sogenannten „Darstellung des Herrn“ noch einmal aufgenommen. Maria und Josef bringen Jesus zum Tempel. Der alte Simeon, ein frommer Mann, der „auf die Rettung Israels wartete“ (Lk 2,25) nimmt das Kind auf die Arme und erkennt in ihm die Erfüllung seiner Erwartung. Er greift in seinem Loblied auf Gott die Verheißungen aus Jes 60,1 und Jes 52,10 zurück: „Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast: Ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2, 30ff.). Doch sofort mischt sich unter die zum Ausdruck gebrachte Freude ein düsteres Raunen. Das Kind, das Lichtzeichen, wird, so sagt Simeon, ein Zeichen des Anstoßes werden. Und Maria, der Mutter sagt er (wohl schon im Vorausblick auf das Leiden Jesu) schmerzhafte Erfahrungen voraus. Was Lukas hier beschreibt, ist so etwas wie eine erzählerische Deutung dessen, was der Evangelist Johannes mit den kurzen Worten ausdrückt: „Das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet kam in die Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht.“ (Joh 1,9f.). Wie kann das eigentlich sein? Die Ankunft Jesu würden wir doch als ein uneingeschränkt positives Ereignis werten. Und trotzdem ruft es Widerstand, sogar Feindschaft hervor.

Vielleicht ist es erhellend, einmal auf die moderne Geschichte eines „Lichtbringers“ zu schauen. Der Amerikaner Thomas Alva Edison erfand 1879 einen Kohlefaden, mit dem er die an verschiedenen Stellen in der Entwicklung befindlichen elektrischen Glühlampen entscheidend verbesserte. Er konnte nun erstmals eine stabile Lichtleistung und eine sich beständig steigernde Leuchtdauer seiner Glühbirnen garantieren. Diese Erfindung sollte die Welt entscheidend verändern. Die bis dahin gängigen Gaslampen konnten abgelöst werden. Edisons Ziel war es, die leistungsstarken elektrischen Leuchten bald überall in der Welt einzusetzen. Die Glühbirne war nicht nur eine neue Lichtquelle, sondern zugleich Auslöser für die bevorstehende umfangreiche Elektrifizierung der Städte. Wer würde sich einem solchen Fortschritt widersetzen wollen? Edisons Geldgeber J.P. Morgan, der nicht nur an den Erfolg der Erfindung, sondern auch an enormen Profit glaubte, ließ Edison anlässlich der Parade zum „Columbus Day“ in New York ein Spektakel zur Einführung der Glühbirne inszenieren. Der Schriftsteller Anthony McCarten beschreibt es in seinem Edison-Roman „Licht“ so[1]:

Hinter den Absperrungen drängten sich lachende und applaudierende Familien. Doch die Jubelrufe verstummten und Angst machte sich breit, als das neue Paradestück der Edison Electric Light Company um die Ecke bog. Erst bedeckten Eltern die Augen ihrer Kinder. Dann erklangen Schreie. Frauen pressten die Hand vor den Mund. Männer zogen langsam den Hut. Was war das? Bahnte sich da eine Katastrophe an? In einem geschlossenen Karree und im gemessenen Tempo eines Trauerzugs marschierten zweihundert uniformierte Männer die Fifth Avenue hinunter wie eine Invasionsarmee. Das allein wäre schon beunruhigend genug gewesen, hätten die Köpfe der Männer nicht noch zusätzlich in Flammen gestanden. Nun, nicht ganz. Die Flammen befanden sich hinter Glas – gefangen in einem Glaskolben, einer auf dem Stielende stehenden Birne, die oben auf den Bowlerhüten der Marschierenden befestigt. […] Elektrischer Strom, den so viel für lebensbedrohlich hielten (wenn nicht gar für eine Flüssigkeit, die, wie eine Zeitung behauptet hatte, tödlich wirkte, wenn sie in Vorhänge und Teppiche einsickere), erschien als so sicher, dass man ihn völlig ungefährdet durch den eigenen Körper leiten konnte.

Hier geht es, meine ich, mehr als um eine Angst vor der Technik. Es ist die Angst vor etwas Neuem, zugleich auch die Angst vor einer fundamentalen Veränderung. Ein solches Phänomen gibt es immer wieder. Als die Demokratie eingeführt wurde, hielt man sie in weiten Teilen der Bevölkerung für schädlich und zerstörerisch, beim Automobil war es ebenso und zuletzt konnten wir es bei der neuen Technik zur Gewinnung von Impfstoffen selbst erleben. Das Neue verunsichert und macht Angst.

Im Falle der Bibel bedeutet das Kommen Jesu einen solchen umwälzenden Schritt in der Heilsgeschichte. Wenn es wirklich wahr ist, dass der verheißene Messias, der Gottessohn in Jesus in der Welt erschienen ist, wird dieses Ereignis dem Lauf der Welt eine neue Richtung geben. So sehr seine Ankunft erwartet wurde, so sehr war sie offenbar auch gefürchtet. Im Grunde besteht diese Furcht noch heute. Wenn der Glaube an Jesus wahr ist, dann hat er für mein eigenes Leben unweigerlich Konsequenzen. Der Sprung in den Glauben ist ein Sprung in das Ungewisse, ein Wagnis, gegen das ich die größten Vorbehalte aufbringen kann. Wer will sich von diesem „gefährlichen“ Licht anstecken lassen?

Jesus selbst nimmt das Bildwort vom Licht, das sich ansteckend verbreitet, in der Bergpredigt auf, wenn er davon zu den Jüngern spricht und sie auffordert, selbst „Licht der Welt“ zu sein und dieses Licht vor den Menschen leuchten zu lassen (Mt 5,14f.). Mit dem Licht sind die guten Werke gemeint (in Anlehnung an Jes 58,8), aber sicher auch im johanneischen Sinn der Glaube an Christus selbst. So fordert auch Paulus die Christen auf, als „Kinder des Lichtes“ in der Welt zu leben (1Thess 5,5), also Zeugnis ihres Glaubens und ihrer Hoffnung zu geben. Das Zeichen, dem widersprochen wird, es besteht heute genauso wie damals. Es gibt keinen Grund, sich entmutigen zu lassen. Der Widerspruch, den der Glaube bis heute erfährt, wird ein ständiger Wegbegleiter sein. Dort allerdings, wo das Licht aufleuchtet und Überzeugt, wird es neue Anhänger finden.      

Beitragsbild: Chorraum der Kirche Saint Pierre -le Jeune, Straßburg (Frankreich)    


[1] Anthony McCarten, Licht, Zürich 2017, 121f.

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