Schiffe, die sich nachts begegnen

396 Meter lang und 53,5 Meter breit: Das sind die Ausmaße der „MSC Zoe“, eines der größten Schiffe der Welt, das 2015 in Hamburg getauft wurde. Ich habe eine besondere Verbindung zu diesem Schiff, weil ich damals bei der Schiffstaufe dabei war. Die „Zoe“ fasst über 19.000 Containereinheiten. Schiffe wie dieses sind die entscheidenden Vehikel auf den großen Schiffahrtsrouten, den Autobahnen unserer globalisierten Welt. Ihre Größe und ihre Anzahl nehmen immer weiter zu. Immer mehr Waren werden vom einen Ort zum anderen transportiert, immer mehr Märkte erschlossen, immer größer wird die Arbeitsteilung in der Herstellung von Produkten. Ein Schiff die MSC Zoe versorgt uns mit allem was wir brauchen und nicht brauchen: Kleidung, Nahrungsmittel, Rohstoffe, technische Produkte, Maschinen und jede Menge Konsumgüter. Ohne die Flut solcher Güter, verpackt in riesige Container, verladen auf riesige Schiffe würde unser gewohntes angenehmes Leben nicht mehr funktionieren.

Das ist an sich nichts Neues, den Seehandel hat es immer schon gegeben, ebenso die Handelsflotten und internationalen Schiffrouten. Die Zentren des antiken und mittelalterlichen Welt lagen alle am Meer oder an einem Fluss und hatten selbstverständlich alle einen Hafen. Jerusalem war eine der wenigen Ausnahmen. Aber auch hier im alten Israel wurde investiert. Die Römer bauten mit Cäsarea Maritima eine neue Hauptstadt und ein neues Handelszentrum am Meer, um auch Palästina an das Weltreich anzuschließen.  

Um wieviel bescheidener wirkt dagegen die Szene des heutigen Evangeliums (Joh 6, 24-35). Hier geht es an den vergleichsweise kleinen See  Genezareth, zu Menschen, die nicht mit großen Galeeren, sondern mit kleinen Fischerbooten auf dem Weg sind. Zur Erinnerung: Jesus war mit seinen Jüngern vor der Menge geflohen. Sie hatten ein Schiff bestiegen und waren an einen abgelegenen Ort gefahren. Aber auch dort waren die Leute zusammengeströmt und ihm auf Booten nachgereist. Er hatte sie gelehrt und schließlich die Menge, einige Tausend Leute mit den Broten und den Fischen gespeist. Kaum war dies passiert, hatte sich Jesus wieder zurückgezogen, hatte sich vermutlich wieder in ein Schiff gesetzt und war verschwunden. Aber die Leute lassen nicht locker. Sie setzen sich in ihre Boote und suchen das Ufer nach Jesus und seinen Jüngern ab. Sie finden ihn schließlich in Kafarnaum und stellen ihn zur Rede. Jesus muss ihnen erklären, was es mit ihm auf sich hat. Er deutet das Brotwunder: Was ihr dort gesehen habt, war nur ein Hinweis. Nicht Brote, nicht das Wunder war wichtig, sondern ich selber. Ich bin mehr als Mose, der von Gott damals das Zeichen des Brotes erbeten hat. Ich bin mehr, ich bin der, den Gott selbst gesandt hat. Ihr habt nicht bloß ein Zeichen für Gottes Nähe gesehen, sondern ihr habt Gottes Nähe in mir erfahren. Ich möchte euch nicht Brot geben, sondern selbst für Euch zum Brot werden.

Das kleine Boot auf dem See von Galiläa hat in Jesus alles transportiert, was ihr zum Leben braucht. Nicht der Überfluss der Waren und die tägliche Versorgung ist wichtig, sondern wichtig ist, dass Gott hier unter euch ist. Neben der Ordnung der Welt gibt es eine andere Ordnung die für euer Leben notwendig ist. Die Menschen damals haben etwas davon geahnt und sich in ihrem Boot auf die Suche nach dem Boot mit Jesus begeben.

Ein alter deutscher Schlager hat dieses Bild der Schiffe aufgenommen. Es geht in ihm, um zwei Menschen, die sich mit der Zeit fremd geworden sind. Im Text heißt es: 

Wir sind Schiffe, die sich nachts begegnen / Seit wir beide eig’ne Wege geh’n / Wie zwei Lieder, die verschieden klingen /Wir sind Freunde, die sich kaum noch sehn.

So wie Schiffe, die sich nachts begegnen / Und die nur die eig’nen Wege geh’n / Lass uns alte Träume neu erleben / Lass die Liebe nicht in der Zeit vergeh’n

Ist das nicht ein passender Text für unsere Zeit? Wie geht es den Menschen unserer Zeit, vielleicht auch mir selber in meiner Suche nach dem Leben in Fülle? Anders als die Menschen in Galiläa suche ich auf dem Schiff meines Lebens nicht mehr die Ufer nach Jesus ab. Aber dann und wann begegnen sich unsere Boote, in der Nacht, wenn es einsam und dunkel um mich geworden ist. Dann halte ich Ausschau nach dem, der mir begegnen möchte. Und für eine Zeit hält die Zeit des Brotes an und es ist die Zeit des Lebensbrotes. Und ich wünschte, es könnte immer so sein, irgendwann einmal wieder. Doch mein Boot gleitet weiter in die Nacht hinein. Jetzt in der Eucharistiefeier ist die Zeit der Begegnung, ein paar Minuten der Begegnung in denen sich Jesus als Brot des Lebens selber gibt. Und dann geht es wieder auf die Fahrt, aber eine Fahrt, die jetzt voll Sehnsucht ist, weil sie weiß, wo sie einst enden wird.

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