Wie im Fußball, so im Leben

Uwe Seeler war einer der großen deutschen Fußballstars der 1960er Jahre. In einem Interview erzählte er, wie er auf der Höhe seines Ruhms eine Offerte von Inter Mailand ablehnte. Der italienische Klub hatte ihm für seine Dienste ein Million Mark geboten – für die damaligen Verhältnisse eine unvorstellbare Summe. Nach Beratung mit seiner Frau entschied sich Uwe Seeler gegen das Angebot und blieb lieber in Hamburg beim HSV. Dort spielte er für etwa 2000 Mark Monatsgage, ein Gehalt, das immerhin mehr als das Dreifache des Gehalts eines Arbeiters war.

Ein heutiger Fußballfan kann bei einer solchen Geschichte nostalgisch werden. Was waren das noch für Zeiten, als Fußballer aus Liebe zu ihrem Verein, zur Mannschaft oder zu ihrem Umfeld diesem Verein treu blieben! Was waren das für Zeiten, als das Gehalt und die Ablösesummen noch scheinbar noch keine so große Rolle spielten! Wer als heutiger Fußballfan die Berichterstattung verfolgt, merkt schnell, dass es darin immer weniger um das Fußballspiel selber geht. Natürlich werden auch heute noch Spielzüge, Taktik und fussballerische Leistung analysiert. Die Mehrheit der gängigen Berichterstattung beschäftigt sich allerdings mittlerweile mit Geld. Es geht um Vertragsverhandlungen, um Wechselgerüchte, Bilanzen, Werbeeinnahmen, Trikotpreise und Ablösesummen. Dabei werden phantastische Summen ausgerufen. 30, 40 oder sogar 100 Millionen Euro für einen Spieler zu bezahlen, ist heute keine Seltenheit mehr. In dieser Saison konnte man beobachten, dass einige Fußballclubs nicht bloß einzelne Spieler neu verpflichtet haben, um eine bestehende Mannschaft zu verstärken, sondern mit einer ganz neuen Mannschaft antreten.

Man könnte sagen, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Logiken zu tun haben. Das eine ist die Logik des Fußballs selber, des schönen Spiels. In dieser Logik geht es weiterhin um die Mannschaft, um die Fans, um den sportlichen Erfolg. Die andere Logik ist die des Geldes. Ein Fußballspieler steigt in seinem Wert, wenn er möglichst viel Aufmerksamkeit erzielen kann. Junge Fußballzuschauer sehen häufig keine ganzen Spiele mehr, sondern begnügen sich mit einzelnen Ausschnitten von schönen Toren oder besonderen Tricks ihrer Lieblingsstars. Dabei spielt es für sie manchmal gar keine Rolle, in welcher Mannschaft die Stars spielen oder in welchem Wettbewerb ein Spiel stattgefunden hat. Viele Fans bedauern eine solche Entwicklung. Aber mal ehrlich: wir schauen ja trotzdem. 

Im heutigen Evangelium begegnen uns zwei ähnliche Logiken. Bei der einen Logik könnte man von der Logik der Idee oder auch von der Logik des Guten sprechen. Die andere Logik wird von Jesus als die Logik des „Mammon“ bezeichnet. „Mammon“ bedeutet ursprünglich nichts anderes als „Besitz“ oder „Reichtum“. Schnell hat man unter „Mammon“ aber auch die Lüge, die Unwahrheit verstanden. Dabei geht es im Evangelium gar nicht so sehr um eine Unterscheidung zwischen Gut oder Böse. Es geht um die Frage, an welcher Logik ich mein Handeln ausrichte. Dabei ist auch für Jesus klar, dass die reine Idee das reine Gute, nicht ohne die Mittel der Welt auskommt. Der Verwalter im Evangelium wird auf der einen Seite für seine schlechte Verwaltung getadelt, also für seinen schlechten Umgang mit dem Besitz seines Herrn. Auf der anderen Seite wird er für seinen geschickten Umgang mit dem Geld gelobt. Als er entlassen werden soll, schafft er sich Freunde, indem er den Schuldnern seines Herrn Schulden erlässt. Damit betrügt er zwar den Herrn, tut aber den Schuldnern etwas Gutes. Es ist nicht so ganz klar, ob Jesus eine solche Handlung rügt oder ob er sie gut findet. Das Evangelium changiert zwischen den beiden Logiken hin und her. Wenn Jesus am Schluss sagt: „Ihr könnt nicht zugleich Gott dienen und dem Mammon“, hinterfragt er, ob wir unser Handeln nach der richtigen Logik gestalten. Was steht im Vordergrund?

Wir können genau diese Frage eigentlich bei allen wichtigen Themen unserer Zeit stellen. Bei politischen Entscheidungen muss man beantworten, ob diese Entscheidungen einer Idee folgen oder schlicht der Notwendigkeit des Geldes. Dort, wo die Mittel knapp werden, wird die Idee leicht geopfert. Dort, wo die Idee groß ist oder zu groß wird, kann sie dazu verführen, die Seite der „Realien“ nicht mehr zu beachten. Man kann sich aus Idealismus verschulden. Man kann aber aus Angst vor Schulden auch sämtlichen Idealismus fallen lassen. Ein solches Handeln nennt man dann „puren Pragmatismus“. Auch der ist im politischen Handeln, vielleicht aber auch in unserem eigenen Leben zu beobachten. Wenn ich eine Idee vom Guten habe, so werde ich vermutlich alles einsetzen, um diese Idee zu verwirklichen. Wenn ich keine Idee vom Guten habe, dann werde ich einsetzen, was ich habe und mal schauen, was dabei herauskommt.

An diesem Sonntag ist der Caritassonntag. Wir begegnen den beiden Logiken wieder. Die Caritas hat als Motto für diesen Sonntag ausgegeben: „Da kann ja jeder kommen“. Dieses Motto spielt auf eine große Idee der Caritas an, man könnte sagen, auf ihren christlichen Idealismus. Aus dem Glauben heraus sagen wir ja, dass niemand vor Gott zu gering ist. Die Nächstenliebe ist nicht bloß eine schöne Idee, sondern eine Verpflichtung. Vom Evangelium her spielt dabei keine Rolle, wer dieser Nächste ist. Entscheidend ist, dass ihm geholfen werden kann. Das Motto „Da kann ja jeder kommen“ erinnert genau daran. Einem Menschen soll geholfen werden, unabhängig von seinem Gesangbuch oder der Farbe seines Reisepasses, unabhängig davon, ob er mir sympathisch oder unsympathisch ist. Dies ist die Idee. Zur Umsetzung braucht es natürlich auch die andere Seite: Menschen, Geld, Zeit und Einrichtungen, die ein solches Handeln ermöglichen. Insofern ist ein Werben um die große Idee zugleich ein Werben um Mittel. Daran ist nichts Falsches. Schwierig wird es erst dort, wo die Mittel über die Idee bestimmen, vor allem, wenn es im caritativen Handeln in erster Linie um das Gewinnstreben gehen sollte. Der Auftrag besteht nur so lange, wie die Idee da ist und von einem christlichen Idealismus getragen wird. Wer Gott dienen möchte, wird sich immer auch mit dem Mammon beschäftigen müssen. Das Entscheidende ist allerdings, trotzdem zuerst Gott dienen zu wollen.      

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