„Liebst du mich?“

In dieser Woche beginnt in Rom das Konklave. Es wird von einem riesigen Medienecho begleitet. Ich habe in der letzten Woche einen Podcast der „Zeit“ zu diesem Thema gehört.[1] Drei Journalisten unterhalten sich dort über die Papstwahl. Sie haben sich redlich bemüht, einen Zugang dazu zu finden. Sie nutzten dazu die Kategorien, die ihnen aus der politischen Berichterstattung bekannt waren. Beim Papstamt handele es sich, so sagten sie, um das mächtigste Amt in der Kirche, ein Amt von weltpolitischer Bedeutung. Da sei es kein Wunder, dass die Parteiungen unter den Kardinälen einen Kampf untereinander ausfechten würden. Welche Gruppe wird sich durchsetzen, die Reformer, oder die Konservativen? Welcher der möglichen Kandidaten steht für welche kirchenpolitische Agenda? Sie kennen diese Art der Diskussion. Dann aber formulierte einer der Journalisten einen Einwand: Es gehe, sagte er, ja vielleicht doch nicht nur um einen politischen Prozess. Schließlich müsse man in Erwägung ziehen, dass den Kardinälen das Wirken des Heiligen Geistes ja doch etwas bedeuten könne. Für sie sei das tatsächlich ein Faktor. Was der Journalist dann anschließend dazu ausführte, zeugte zwar dann nicht von großem Verständnis, aber immerhin hatte er als einer der wenigen Begleiter des Geschehens in Rom einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es hier tatsächlich um mehr geht, als um Macht und Einfluss.

Der podcast hat mir einmal mehr gezeigt, wie schwer sich die Öffentlichkeit damit tut, die Kirche zu verstehen. Sie betrachtet sie sehr mit weltlichen Kategorien, sieht sie als eine Institution, in der es um Politik, Macht und Einfluss geht. Diese Seite gibt es auch, aber der Kern ist etwas anderes. Zu diesem Kern führt das heutige Evangelium. Es schildert die Begegnung der Jünger mit Jesus nach seiner Auferstehung. Die Jünger sind wieder in ihren Beruf als Fischer zurückgekehrt. Sie fahren auf den See hinaus und fangen nichts. Dann sehen sie Jesus am Ufer stehen und empfangen von ihm die Anweisung noch einmal auf den See zu fahren. Sie tun dies. Sie machen einen reichen Fang und kehren zum Ufer zurück. Und dann stellt Jesus dem Petrus die entscheidende Frage: „Liebst du mich?“ Er fragt dies gleich dreimal, so, als ob er sich nicht sicher ist. Es könnte auch sein, dass Jesus durch sein wiederholtes Nachhaken, die zentrale Bedeutung seiner Frage herausstellen würde. „Liebst du mich?“ – darauf kommt es an. Im Kern des christlichen Glaubens steht eine persönliche Beziehung. Aus dieser Beziehung heraus erhält Petrus und mit ihm der Leser oder Hörer des Evangeliums seine Aufgabe, seine Sendung. Wenn er aus dieser Liebe handelt, dann wird er diese Liebe als ein hohes Gut sehen, das er weitergeben möchte. Für Petrus bedeutet dies, seinen Auftrag nur aufgrund dieser Liebe erfüllen zu dürfen. Mit anderen Worten: Ohne die Liebe zum Herrn ist sein Wirken nutzlos, bleibt sein Mühen ohne Erfolg, bleibt sein Fischernetz leer.

In einem Interview zum Konklave hat einer der Kardinäle genau auf diese Stelle hingewiesen. Er sagte, dass es darauf ankomme, mit dem neuen Papst jemand zu finden, der diese Liebe zu Gott in besonderer Weise verinnerlicht hat und zum Ausdruck bringen kann. Dies gelte es, im Konklave jenseits aller politischen Bewegungen herauszufinden. Nach außen, in die Welt und die Öffentlichkeit gesprochen erscheint eine solche Äußerung vielleicht als unverständlich, als leeres Gerede. Für Menschen, die im Glauben etwas erfahren haben allerdings, ist diese Aussage sehr sprechend. Was soll der Glaube denn im Kern anderes sein, als eine persönliche Beziehung zu Gott? Was wäre unser Gebet sonst? – Es wäre so etwas wie ein leeres Sprechen. Was wäre unser Gottesdienst sonst? – Eine leere Handlung.

In einer Woche werden wir aller Voraussicht nach wissen, wer der neue Papst ist. Und dann? Dann geht es ganz normal weiter. Der Papst und sein Petrusdienst sind für unsere Kirche wichtig. Auch der Inhalt seines Dienstes wird im Evangelium schon genannt: „Weide meine Lämmer“. Das bedeutet: „Leiste deinen Beitrag dazu, dass es den Gläubigen gut geht. Bemühe dich darum, sie im Glauben zu stärken. Hilf ihnen dabei, den Glauben zu vertiefen.“ Das ist eine Hilfsfunktion. Die eigentlich Herausforderung ist eine andere: Sich auf die Begegnung mit Jesus einzulassen. Dies ist eine sehr persönliche Herausforderung. Die Frage „Liebst du mich“ stellt sich jedem von uns auch. Die Antwort dazu nimmt uns kein Papst ab. Ich halte es für wichtig, sich auf diesen Kern des Glaubens zu fokussieren, die „Wahrheiten neu zu ordnen“, für Papst Franziskus es genannt hat. Was in Rom geschieht ist sicher interessant und auch wichtig. Aber es ist nicht Kern, um den es für mich persönlich geht. Im Kern geht es für mich um die Begegnung mit Jesus, der mich ansprechen möchte und an meiner Seite bleibt.

Beitragsbild: Papststatue vor dem Dom von Perugia


[1] Konklave: „… und dann wird plötzlich ein Rudolf Scharping Papst“ | ZEIT ONLINE

2 Kommentare zu „„Liebst du mich?“

  1. Gute Gedanken, sie bestätigen meine eigenen Überlegungen zum Papstamt
    und zur Besetzung.

    Vielen Dank!

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  2. Habemus Papam. Und jetzt? Franziskus hat große Schuhe hinterlassen.

    Ich bin Protestant, doch Franziskus bewegte mein Herz mehr als irgendein anderer Würdenträger in der christlichen Kirche. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass es möglich ist, die vielen Brücken, die Franziskus baute und die leuchtende Bescheidenheit und Jesusnähe von Franziskus fortzusetzen.

    Wir wissen ja auch, dass die Kurie nicht immer zu den großen Unterstützern von Franziskus gehörte. Zu viele, die in der Kirche Kartiere gemacht haben und dabei die Nähe zu den Schafen verloren haben.

    Ich wünsche ihm Gottes Segen, dem neuen Papst, und mir wünsche ich, dass die Schuhe von Franziskus ausgefüllt werden und die Wege weitergegangen.

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