Taufe und Inspiration

Auf Israelreisen wird man häufig auch zu den Stätten der Essener geführt. Innerhalb des Judentums waren die Essener eine endzeitliche Gruppierung. Sie erwarteten das baldige Eintreffen des Messias und hatten sich zur Vorbereitung auf sein Kommen in Gemeinschaften zusammengeschlossen, die sich an abgelegenen Orten zurückzogen. Sie pflegten eine strenge Observanz, verbrachten also ihren Tag mit Gebeten und einem Leben, das sich eng am Gesetz des Mose orientierte. Dort, bei den Essenern, kann man große Wasserbecken sehen. Sie dienten für die rituellen Waschungen. Der Gedanke: Der Mensch muss innerlich wie äußerlich rein sein, um Gott bei seinem Kommen entgegentreten zu können.

Johannes der Täufer nimmt das Zeichen der Waschung auf. Die Reinigung des Körpers in seiner Taufe ist ein symbolischer Akt der Umkehr und Neuausrichtung des Lebens. Das Christentum hat das Zeichen der Taufe übernommen, aber noch einen weiteren Ritus ergänzt. Die Taufe des Johannes ist, wie Johannes selbst sagt, die Taufe mit Wasser. Es braucht aber auch die Taufe mit Feuer und Geist, die der Messias bringen wird. In der christlichen Tauffeier tritt daher die Salbung hinzu. Das Wasser bedeutet die Reinigung. Das Wasser als Element bleibt dem Menschen äußerlich. Das Salböl hingegen zieht in die Haut ein. Es ist Zeichen der innerlichen Veränderung, die dem Menschen in der Taufe geschenkt werden soll. Die Salbung wird als Besiegelung mit dem Heiligen Geist gedeutet, der den Menschen von innen her führen und begnadet.

Darum geht es schließlich: Zu einem begnadeten Menschen zu werden. Das ist kein bloß theologisch abstrakter Gedanke. Er begegnet uns im menschlichen Leben tatsächlich.

Ich möchte ihnen dazu eine kleine Begebenheit aus meiner Studienzeit erzählen. Wir hatten damals an der Universität viele Lehrer. Die einen waren besser, die anderen schlechter. Es gab aber einen Professor, der als Geheimtipp galt. Zu ihm müsse man gehen. Er führte eher ein Nischendasein, das heißt, er war nie in den Hauptvorlesungen angesetzt. Und so meldete ich mich für einen seiner Kurse an. Es ging in dem Kurs um ein Thema, mit dem ich nichts anzufangen wusste: Der Augustinismus des 17. und 18. Jahrhunderts. Ich will gar nicht erklären, was das ist. Man kann sagen: Es ging um eine Epoche der Frömmigkeitsgeschichte, über die sonst kaum gesprochen wurde, weil die Theologie und das Weltbild der damaligen Zeit heute als nicht relevant oder interessant galt. Es ging, kurz gesagt, um ein Thema, zu dem man eigentlich nichts wissen musste. Dementsprechend war die Vorlesung des Professors. Er präsentierte uns allerhand wundersame Versatzstücke vergangener Traditionen. Ich fragte mich während der Vorlesung, wie ich wohl diesen Stoff für die Prüfung vorbereiten solle. Doch der Professor wollte gar keine Prüfung. Er sagte uns, wir sollten an der Stelle der Prüfung lieber eine kleine Arbeit schreiben, die er dann bewerten wolle. Welches Thema wir für die Arbeit wählen sollen? Das sei ihm egal, sagte der Professor: “Nehmen Sie einfach ein Versatzstück aus der Vorlesung, irgendetwas, womit Sie sich näher beschäftigen wollen und machen sie etwas daraus.” Ich fragte mich, warum ich dann die Vorlesung besucht hatte, fing aber mit dem Schreiben an und kam ins Assoziieren. Durch die Freiheit, die mir beim Thema gegeben wurde, merkte ich, wie mich mein Thema zunehmend beschäftigte. Ich habe intensiv an der Arbeit gesessen, auf einmal Feuer und Flamme. Ich habe nie wieder so viel Zeit in eine normale Prüfungsarbeit gesteckt und ich war auch nie wieder mit einem Ergebnis so zufrieden.

Später habe ich verstanden, was der Sinn der Übung war. Unser Professor wollte nicht, dass wir Dinge auswendig lernen oder uns ein äußeres Wissen aneignen. Er wollte, dass wir aus eigenem Antrieb lernen, uns für eine Sache zu begeistern. Er hat uns aus Schülern zu Forschern gemacht – wenn man es so sagen möchte. Und dann hat der Professor noch etwas getan. Er hat unsere Arbeiten ernst genommen. Er hat uns ernst genommen. Er hat uns gelobt und angespornt, weiter zu machen, die entfachte Glut und Freude am Thema und am eigenständigen Studieren weiter angefacht. Noch Jahre später wusste er mein Thema und konnte darüber sprechen.

Sie haben einen solchen Moment der Inspiration vielleicht selbst erlebt, in der Familie, in der Ausbildung, durch Freunde und Lehrer, im Arbeitsleben. Ein inspirierender Mensch will genau diese inneren Kräfte in uns wecken. Bei der Taufe wird bei der Salbung zum Täufling gesagt: „Du wirst jetzt mit dem heiligen Chrisam gesalbt, denn du bist Glied des Volkes Gottes und gehörst für immer Christus an, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten.“ Damit wird ein Wunsch zum Ausdruck gebracht – der Wunsch, dass der Glaube nicht bloß etwas Äußerliches bleibt, sondern dass er zu etwas Innerem wird, zu einem Antrieb für mein Leben. Die Taufe heißt eben auch, sich in die Jüngerschaft Jesu zu begeben, ihn als Lehrer zu nehmen, nachzuahmen, was wir von ihm verstandenen haben. Dies geschieht nicht in einer äußerlichen Weise, sondern im inneren meiner Persönlichkeit. Das meint die Berufung der Christen, selbst christophorm zu werden, also die Würde als König, Priester und Prophet für mich selbst anzunehmen und wirken zu lassen. Der Heilige Geist soll in mir das innerliche Feuer entfachen, was mich begeistern und beleben kann. Auf diesen Messias, der uns diese Dimension des Glaubens aufschließt, hat Johannes und mit ihm das Volk Israel gewartet. Er Jesus Christus bietet uns diese Lehrerschaft an, eine Lehrerschaft, die mich ermutigen und weiterführen möchte.

Beitragsbild: Francesco Francia, Taufe Jesu (Ausschnitt)

2 Kommentare zu „Taufe und Inspiration

Hinterlasse eine Antwort zu brbenedikthlsmannosb Antwort abbrechen