Diese Schale! [zum Dreifaltigkeitssonntag]

Was ist eigentlich typisch deutsch? Ich vermute, Ihnen würde einiges dazu einfallen. Interessant und teilweise auch sehr amüsant ist, wenn Nicht-Deutsche diese Frage beantworten müssen. Im Internet habe ich schon eine Reihe von Clips gefunden, die sich mit einem Blick von außen auf unsere Alltagskultur auseinandersetzen.

So sah ich neulich ein Video, in dem ein indisches Pärchen Bilder von deutschen Städten kommentierte. Sie waren sehr begeistert. Besonders laut war der Jubel übrigens, als das Schweriner Schloss gezeigt wurde. Mit Blick auf die Altstädte stellten sich die beiden allerdings die für mich unerwartete Frage, wer in solchen Häusern wohnen würde. Für sie schien das so unvorstellbar, dass sie mutmaßten, der Staat würde beim Wohnen im Altbau sicher die halbe Miete übernehmen. Schön wär’s.

Oder ich erinnere mich an das Video einer Vietnamesin, die das erste Mal in Deutschland war und nicht glauben konnte, dass wir hier wirklich das Wasser aus dem Wasser aus dem Wasserhahn trinken.

Einer, der sich schon viel besser auskennt ist Liam. Er stammt aus Großbritannien, ist mit einer Deutschen verheiratet und wohnt auch in Deutschland. Er macht sich in seinen Videos immer ein wenig über uns lustig. Neulich postete er ein Video mit drei Dingen, die alle Deutschen gemeinsam haben. Das erste war: Fenster auf Kipp zu stellen. Das zweite: exorbitant lange Spaziergänge zu machen und das dritte war ein Gegenstand. Er hielt ihn in die Kamera und sagte nur: Diese Schale. Ich fühlte mich ertappt. Ich bin in meine Küche gegangen und habe die unterste Schublade aufgemacht. Tatsächlich, da war sie: Diese Schale. Zwar nicht in der großen Ausführung, aber zumindest als Schälchen.

Machen wir das Gleiche mal mit der Frage, was alle Christen gemeinsam haben. Was würden Sie sagen? Die Taufe, das Vater Unser, der Glaube an die Auferstehung, die Bibel, der Glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist; die Kirchengebäude, die geistliche Musik, das Kreuz als Erkennungszeichen? Wenn man aber einen Nicht-Christen fragt, etwa einen Juden oder einen Moslem, dann wird er wahrscheinlich als erstes sagen: Die Dreifaltigkeit. Und wir denken: „Mensch, stimmt ja, habe ich gar nicht daran gedacht. Irgendwas war da ja noch.“ Wir ziehen gedanklich die unterste Schublade unseres christlichen Wissens auf und tatsächlich, da ist sie, die Dreifaltigkeit. Irgendwie gerät dieser Begriff leicht in Vergessenheit. Eigentlich merkwürdig, wo wir doch das Kreuzzeichen machen oder den Segen im Namen des dreieinen Gottes aussprechen oder uns im Glaubensbekenntnis dazu bekennen. Einmal im Jahr zumindest, am Dreifaltigkeitssonntag wird die Schublade wieder aufgezogen und der Begriff der Dreifaltigkeit wird hervorgeholt und erklärt.

Eigentlich komisch, dass es so ist. Die Dreifaltigkeitslehre ist schließlich eine der wichtigsten und größten Errungenschaften der christlichen Tradition. Etwa vierhundert Jahre nach dem Tod Jesu hat es gebraucht, bis man sie begrifflich einigermaßen sicher erfassen konnte. Die Christenheit hat sich heftig über das richtige Verständnis dieses Glaubensgeheimnisses gestritten. Die Gläubigen haben sich mehrfach darüber gespalten, sie haben sich teilweise deswegen gegenseitig verprügelt. Sie haben dicke Traktate über diese Lehre geschrieben.

Es war der Versuch, die gesamte christliche Offenbarung zusammenzudenken. Wenn wir an den einen Gott glauben und zugleich an Christus als Gottes Sohn und auch vom Heiligen Geist sagen, dass er Gott ist, wie sollen wir uns das vorstellen? Ist es dann ein Gott, der uns in unterschiedlichen Personen oder Rollen erschienen ist? Sind Sohn und Geist untergeordnete Geschöpfe des einen Gottes, den wir Vater nennen? Oder ist Gott schlicht das unsagbare Geheimnis, von dem wir nicht mehr sagen können, als dass er in der Bibel als Vater, Sohn und Geist den Menschen erscheint? Das waren die Fragen der Theologie.

Sie lassen sich schwer ganz auflösen. Selbst der Katechismus sagt: „Das Bekenntnis zum dreieinen Gott ist ein tiefes Geheimnis, das kein erschaffener Geist von sich aus zu entdecken oder zu begreifen vermag.“ Und dann gibt es doch eine Definition, mehr ein Beschreibung: „Es ist das Geheimnis einer unergründlichen und überströmenden Liebe: Gott ist kein einsames Wesen, sondern ein Gott, der aus der Überfülle seines Seins heraus sich schenkt und mitteilt, ein Gott, der in der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist lebt und der darum auch Gemeinschaft schenken und begründen kann. Weil er Leben und Liebe in sich ist, kann er Leben und Liebe für uns sein.“[1]

Der Katechismus nimmt hier das Denken des Johannesevangeliums und von Augustinus auf. Das ist unsere Schwierigkeit mit der Dreifaltigkeit. Unsere Worte werden leicht kompliziert oder poetisch. Wir können keine technisch-exakte Definition geben. Wir können aber sagen, dass wir an einen Gott glauben, der in sich Leben, Beziehung und Liebe ist, kein Gott, der uns einfach gegenübersteht, sondern einer, der mit uns das Leben teilt, der uns menschlich nahe und zugleich sehr fern ist. Die Lehre von der Dreifaltigkeit ist somit etwas Schönes und Wichtiges. Sie ist die Schale, die alle anderen Glaubensinhalte in sich trägt. Wir sollten vielleicht einfach mehr darüber sprechen.


[1] Katholischer Erwachsenenkatechismus, Bonn 1985, 85.

Ein Kommentar zu „Diese Schale! [zum Dreifaltigkeitssonntag]

  1. Vielen Dank, ein interessanter Beitrag. Tatsächlich wird die Dreifaltigkeit eher vergessen, obwohl sie doch die Grundlage ist. Ich finde es überaus spannend, dass die Zahl 3 in allen vorkommenden Religionen eine so wichtige Rolle spielt. Manchmal glaube ich, dass die alten Weisheiten, die in all den religiösen Schriften stehen, früher von den Menschen gewusst und erkannt wurden – etwas, das immer mehr verloren geht. Ich glaube, durch unsere aktuelle Weltanschauung verlieren wir den Bezug zu dem was wir sind und was heilig ist.

    Nikolaus Tesla sagte einst, wer die Zahl 3 versteht, erhält den Schlüssel zum Universum. Seine technischen Erfindungen habe er, seinen Aussagen nach, von einer Quelle erhalten, die uns allen zugänglich sei – man müsse nur die Zahl 3 entschlüsseln. Ich denke, dass sich dahinter tatsächlich viel mehr verbirgt. Leider vermag mir mein Verstand nicht zu sagen, welches Rätsel und welche Lösung sich genau dahinter verbergen, jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass es etwas Göttliches ist. Mich würde sehr interessieren, was Sie als Theologe darüber denken? Warum teilt sich Gott in „3 Teile“? Gibt es in der Bibel genauere Informationen zur heiligen Zahl 3?

    PS: Die Schale habe ich auch 😁

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