Fantasy- und Science-Fiction sind zwei Gattungen der Literatur oder des Films, die eine große Anhängerschaft haben. Man kann es als spätkindlichen Reflex betrachten, dass Menschen sich in die Welt der Feen und Elfen, der Monster und Zauberer oder auch der fernen Planeten und außerirdischen Lebensformen mitnehmen lassen. Das moderne Märchen bietet auf den ersten Blick einen Ausflug aus unserer häufig so alltäglichen und manchmal auch sehr problematischen Welt an. Es gibt aber auch solche Bücher und Filme des Genres, die den Zweck verfolgen, uns anhand einer neu kreierten Geschichte aus fernen Zeiten oder phantastischen Welten genau etwas über unsere Welt sagen zu wollen. Auf eine spielerische Weise entstehen so neue Mythen oder Parabeln, die uns ihre philosophischen oder politischen Ideen auf spielerische Weise vermitteln.
Ein Meisterwerk des Science-Fiction ist das monumentale Opus „Dune – der Wüstenplanet“, das derzeit in einer neuen Verfilmung in den Kinos zu sehen ist. Der Autor des Romans, der Amerikaner Frank Herbert, war als Fotograf im Zweiten Weltkrieg gewesen und verdiente nach dem Krieg sein Geld als politische Journalist. „Dune“ ist im Kern ein politischer Roman, in dem es um Macht, Wirtschaft und Krieg geht:
Das Universum ist in einem Verband der planetarischen Großmächte aufgeteilt. Ein Planet, eben der Wüstenplanet, spielt dabei eine besondere Rolle. Im Sand, der den Planeten komplett bedeckt findet sich ein wichtiger Rohstoff, das „Spice“. Der Abbau des Stoffes wird einem der planetarischen Herrscherhäuser anvertraut. Im Auftrag des Imperiums übernimmt die Dynastie der Atreides zu Beginn des Romans diese Aufgabe, den Wüstenplaneten zu verwalten. Der Herzog Atreides kommt mit seiner Familie, zu der auch sein Sohn Paul gehört auf den Planeten. Doch schnell ändert sich die Politik. Die Konkurrenz schläft nicht. Ein anderes Weltraumvolk überfällt den Wüstenplaneten und löscht die Herrschaft der Atreides gewaltsam aus. Der Sohn Paul kann sich vor den Angreifern retten und flieht in die Wüste. Dort lebt ein Wüstenvolk, bei dem er Unterschlupf findet. Das Volk kämpft gegen die ausländischen Besatzer um seine Freiheit. Paul schließt sich den Freiheitskämpfern an. Das Wüstenvolk ist sehr religiös. Es glaubt an alte Weissagungen, nach denen ein Messias es einst in die Freiheit führen soll. Nun behaupten einige, dass Paul dieser Messias ist. Sie finden in ihren heiligen Schriften Hinweise darauf. Paul selbst wehrt sich gegen diese Zuschreibung. Er sieht sich nicht als der Messias. Er hat düstere Visionen von einem großen Krieg, den er selbst auslösen wird. Aber er hat den Lauf der Geschichte nicht mehr selbst in der Hand. Die Propaganda innerhalb des Wüstenvolkes ist stark. Es treten Umstände ein, die die Weissagungen zu bestätigen scheinen. Paul wird gedrängt, in den Süden des Planeten zu ziehen, wo die große Masse des Volkes wohnt und ihn bereits gläubig erwartet. Paul widersetzt sich. In einer Schlüsselszene des Films sitzt er auf einer der Wüstendünen und ringt mit sich. Es wird ihm klar, dass er dem Erwartungsdruck nicht standhalten kann. Vielleicht fühlt er sich durch die zunehmende Verehrung auch geschmeichelt. Im letzten gibt er nach, zieht in den Süden, übernimmt die Herrschaft, führt einen erfolgreichen Aufstand gegen die Besatzer und ruft zu einem Heiligen Krieg gegen die anderen Großmächte auf. Die Katastrophe ist da.
Der Autor von Dune, Frank Herbert, wollte hier eine politische Botschaft senden. Heilsbringer werden gemacht. Herbert soll gesagt haben, dass die politisch verheerendste Rolle die des charismatischen Führers ist. Seine Strahlkraft ist eine Illusion. Sie verdeckt, was falsch läuft und schädlich ist. Besser ist es, so sagt Herbert, einen unbeliebten Führer zu haben, weil dieser das kritische Bewusstsein gegen die Herrschaft stärkt und diese besser kontrolliert.
Sicher schwingt in „Dune“ auch eine Kritik am religiösen Messianismus mit. Man assoziiert beim Schauen des Films sofort die aufgewiegelten Mengen eines radikalen Islamismus oder den Eifer einer christlichen Sekte.
Der Messianismus ist gefährlich. Dies weiß übrigens auch die Bibel. Zur Zeit Jesu gab es immer wieder Gestalten, die messianische Hoffnungen weckten. Es gab im Judentum Freiheitskämpfer, die mit religiösem Eifer gegen die herrschenden Besatzer vorgingen und in der Regel scheiterten. Jesus selbst wird ja als ein potentieller religiöser Aufwiegler den Römern vorgeführt. Er wird verurteilt als „König der Juden“, als politischer Messias, also als „Gesalbter“, was nichts anderes ist als ein anderes Wort für „König“. Jesus selbst, der von Anfang an weiß, dass er von Gott gesandt ist, versucht, dass diese Sendung nicht öffentlich verkündet wird. Als Petrus ihm sagt, dass er der Messias ist, verbietet er den Jüngern es weiterzusagen.
Der Messias bleibt im Verborgenen, auch, weil seine Stunde noch nicht gekommen ist, von der das Johannesevangelium spricht. Es gibt die Stunde, in der der Messias offenbar werden soll, also in dem er sichtbar in Erscheinung tritt. Genau von dieser Stunde handelt das Sonntagsevangelium (Joh 12, 20-33).
Was ist passiert? Jesus ist nach Jerusalem gegangen. Mit seinen Jüngern hat er seinen Einzug in Jerusalem vorbereitet. Auf einem Esel reitend kommt er in die Stadt und die Menschen empfangen ihn als König Israels. Sie glauben also, dass sich die alten Verheißungen erfüllen. Tatsächlich ist jetzt die Stunde, an dem der Messias die Herrschaft übernehmen wird. Aber es ist eine andere Herrschaft, als die Menschen es erwarten. Die Stunde Jesu, die Stunde der Verherrlichung und Offenbarung wird nicht die Stunde eines großen Sieges über die Römer sein. Der Messianismus Jesu ist eben zur Enttäuschung vieler kein politischer Auftrag. Es geht um etwas viel Grundlegenderes.
Jesus sagt über seine Sendung: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bringt es keine Frucht“ (Joh 12, 24). Die Stunde Jesu ist die Stunde seines Todes. Hier vollzieht sich der Herrschaftswechsel, der wahre „Regime-Change“. „Der Herrscher der Welt (der Teufel) wird aus der Welt hinausgeworfen“ (Joh 12,31). Nicht ein bestimmter Herrscher, eine bestimmte Großmacht wird besiegt, sondern das Böse selbst.
Das Evangelium erzählt also von einer ganz anderen Art des Messias, von demjenigen, der nicht zum äußeren Kampf gegen die Feinde, sondern zum inneren Kampf gegen das Böse aufruft. Jesus trägt die Leiden, die Unterdrückung und Sünde des ganzen Volkes im Kreuz auf seinen Schultern. Wer ihm nachfolgt, soll daher „sein Kreuz auf sich nehmen“. Wer Jesus als Messias nachfolgt, wird nicht zum politischen Eiferer, nicht zum Krieger, sondern zum Jünger des Mit-Leidenden, Barmherzigen und Heilenden. Der „Heilige Krieg“ wird mit geistlichen Waffen der Hoffnung, des Glaubens, der Gerechtigkeit, der Vergebung und Nächstenliebe ausgetragen, wie der Epheserbrief es ausdrücken wird (Eph 6, 10-20). An seinem Ende soll nicht die Zerstörung und Vernichtung der Feinde stehen, sondern die Niederlage des Bösen selbst. Der Messias führt die Sache eines Gottes, der retten und aufrichten möchte, der treu und liebend ist.
Beitragsbild: Christus (El Greco)