Der Papst erlaubt Segnungen für homosexuelle Paare, aber…

Es ist eine überraschende Entwicklung. Am 18. Dezember veröffentlicht die Glaubenskongregation auf Anweisung von Papst Franziskus ein Dokument über die „Pastorale Sinngebung von Segnungen“.[1] Was sich im Titel eher als nüchterne theologische Abhandlung tarnt, bietet in den nächsten Wochen sicher reichlich Stoff zu Gespräch und Auseinandersetzung. Zum ersten Mal nimmt das Lehramt positiv zum Anliegen der Segnung von Paaren in „irregulären Situationen“ Stellung. Übersetzt bedeutet dies, dass es um Paare geht die nicht in einer kirchlich gültigen Ehe zusammenleben oder diese anstreben. Ausdrücklich werden hier auch Segnungen homosexueller Paare genannt. Das Dokument kann als „Erlaubnis“ zur Segnung verstanden werden.

Damit scheint der Vatikan eine Umkehr der geltenden Lehre vollzogen zu haben. Schließlich hatte die Glaubenskongregation am 22.02.2021 eine solche Segnung noch ausdrücklich verboten und auf die geltende Sexuallehre verwiesen.[2] Auch angestoßen durch den Synodalen Weg in Deutschland hatten sich einige Kardinäle im Juli 2023 an den Papst gewandt und ihn um eine Klarstellung in mehreren Punkten gebeten.[3] Einer von ihnen betraf die moraltheologische Einordnung homosexueller Partnerschaften und eine mögliche Segnung. Papst Franziskus bestätigte in seiner Antwort auf die „Dubia“ („Zweifel“) der Kardinäle die bestehende Lehre. Zugleich aber wies er darauf hin, dass es sich bei einem Segen nicht bloß um eine dogmatische Kategorie handele. Wörtlich schrieb Franziskus: „Dennoch, in unserem Umgang mit den Menschen dürfen wir jedoch die pastorale Fürsorge nicht vernachlässigen, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muss. Die Verteidigung der objektiven Wahrheit ist nicht der einzige Ausdruck dieser Fürsorge, die auch aus Aufmerksamkeit, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und Ermutigung besteht. Deshalb dürfen wir keine Richter sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen“ (Nr. 2d).

Das nun vorgelegte Dokument hat also eine Vorgeschichte. Eine langsame Veränderung der Blickweise auf das Anliegen der Segnung homosexueller Paare hatte sich angedeutet. Schon das erste Schreiben der Glaubenskongregation von 2021 ließ eine vorsichtige Öffnung erkennen, indem es auf das Gute und die Werte verwies, die in einer homosexuellen Partnerschaft (trotz ihrer „Irregularität“) gelebt werden. Papst Franziskus macht nun den seelsorglichen Aspekt stark. Das neue Dokument verordnet die Bitte um den Segen in das allgemeine Bedürfnis der Gläubigen nach dem Zuspruch Gottes. Der Segen wird von denen, die ihn erbitten, als Stärkung auf dem Weg zu einem vertieften Leben mit Gott erfahren. In dieser Weise, so das Dokument der Glaubenskongregation, ist der Segen eine volkstümliche und biblische begründete Praxis. Ausdrücklich verweist die Kongregation darauf, dass es sich bei der Ehe eben nicht um eine Segnung, sondern um eine sakramentale Feier handelt. Es sei allerdings pastoral nicht zu rechtfertigen, von jedem, der gesegnet werden wolle, zu verlangen, die Voraussetzungen für ein Sakrament erfüllen zu müssen. Mehrfach zitiert das Dokument Papst Franziskus daher mit Aussagen, in denen er das Ungenügen rein rechtlicher oder dogmatischer Kategorien betont, um das menschliche Bedürfnis der Zuwendung Gottes zu bewerten. Gerade der spontane Segen etwa bei einer Wallfahrt oder einem wichtigen Moment habe schließlich eine ganz eigene volkstümliche Tradition unter den Gläubigen.

Mit dieser Argumentation bleibt Franziskus seinem Grundansatz treu. Die Wahrheit der Kirche speist sich nicht nur aus offiziellen, sondern auch inoffiziellen Quellen, der Praxis und dem Glaubensverständnis des Gottesvolkes. In dieser Linie wird dann auch der Segen für Paare möglich, deren Lebensweise nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre steht. Der Segen ist Ausdruck der Gottsuche und des Willens zum Guten, des gemeinsamen Weges von Menschen, der sich entwickeln und der reifen kann. Die Lehre bleibt damit zunächst unangetastet. Ausdrücklich weist das Dokument darauf hin, dass eine Verwechslung der Eheschließung und des Paarsegens nicht geschehen darf. Dies bedeutet, dass Segnungen nicht mit einem offiziellen „Ritenbuch“ der Kirche durchgeführt werden sollen und nicht in einem hochzeitsähnlichen Rahmen, etwa nach einer standesamtlichen Eheschließung erfolgen können. Es gibt also keine kirchliche Hochzeit für Homosexuelle.

Papst Franziskus versucht, im Rahmen der bestehenden Lehre einen pastoralen Ansatz zu finden, um dem Bedürfnis vieler Gläubiger entgegenzukommen. Es handelt sich um eine erste offizielle Auskunft zur Möglichkeit von Segnungen von Paaren außerhalb des Ehekontextes. Papst Franziskus handelt sich damit voraussichtlich doppelten Ärger ein. Für traditionalistische Kreise wird das jetzt vorgelegte Dokument weiterer Stoff sein, um dem Papst seine Treue zum Lehramt abzusprechen. Die Vertreter liberaler Kreise werden die Zögerlichkeit des Vatikans weiter betonen und dazu auffordern, sich mutig über die jetzt vorgelegten Anweisungen hinwegzusetzen. Trotzdem bleibt die jetzige Erklärung erstaunlich. Man hatte wohl nicht damit gerechnet, dass es sie überhaupt geben würde.   


[1] Der komplette Text hier: Dichiarazione “Fiducia supplicans” sul senso pastorale delle benedizioni del Dicastero per la Dottrina della Fede (vatican.va)

[2] Ausführlich dazu: Ein Diskurs kippt: Die katholische Kirche und die Homosexualität – Sensus fidei

[3] Die „Dubia“ und die Antwort des Papstes hier: “Dubia” zweier Kardinäle (10. Juli 2023) und “Respuestas” des Heiligen Vaters “a los Dubia propuestos por dos Cardenales” (11. Juli 2023) (vatican.va)

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