Seit einigen Jahren gibt es im Fernsehen die Sendung “Die Höhle der Löwen”. Die Idee der Sendung ist die folgende: Eingeladen werden Kandidaten, die ein Start-Up gegründet haben, also ein Unternehmen. Sie haben eine gute Idee oder ein gutes Produkt entwickelt, das sie auf den Markt gebracht haben oder noch bringen wollen. Unter den Start-Ups ist alles mögliche dabei: Ingenieure, die einen neuen Werkstoff erfunden haben, IT-Spezialistinnen, die eine App entwickelt haben, Bastler, die ein neuartiges Spielzeug in die Geschäfte bringen wollen, oder Hobby-Köchinnen, die davon träumen, selbstkreierte Fertiggerichte über Supermärkte zu verkaufen. Sie alle stellen ihre Ideen in der Sendung vor.
Auf der anderen Seite des Fernsehstudios sitzen potentielle Investoren, Menschen mit Geld und Erfahrung in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Sie sollen bewerten, ob es sich für sie lohnt, bei dem einen oder anderen Start-Up einzusteigen, also Geld und Beratung einzusetzen, in der Hoffnung, ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen zu können und damit Geld zu verdienen. Sie stellen den Kandidaten Fragen, um sich ein Bild von deren Geschäftsideen und deren Potential zu machen. Zwei der häufigsten Fragen sind dabei: Wieviel eigenes Geld haben Sie bereits in Ihre Erfindung oder Ihre Idee investiert? Und die zweite Frage: Stehen Sie für die Weiterarbeit an Ihrem Produkt mit vollem Zeiteinsatz zur Verfügung? Diese Fragen sind Testfragen. Sie sollen den Investoren einen Eindruck davon geben, ob die Kandidatin oder der Kandidat von der eigenen Idee so überzeugt ist, dass sie oder er bereit ist, alles dafür einzusetzen. Nur wer an den Erfolg seines Produktes glaubt, wird das tun. Nur wer fest damit rechnet, dass das eigene Produkt einmal ausreichend Gewinn bringen wird, der wird Geld, Wissen und Zeit in die Weiterentwicklung seines Unternehmens setzen. Es kann ja tatsächlich sein, dass diese Idee, die ich irgendwann einmal gehabt habe, die ich bis zur Marktreife gebracht habe, die Idee ist, die mir einmal großen Erfolg und Reichtum bescheren wird.
Von dieser Dynamik erzählen die Gleichnisse aus dem Evangelium (Mt 13, 44-46). Ein Mann stößt durch Zufall auf einen Schatz, der in einem Acker vergraben ist. Er setzt nun alles daran, um den Acker zu kaufen, um den Schatz besitzen zu können. Ein Kaufmann, der mit Perlen handelt, findet eines Tages eine besonders kostbare Perle. Er verkauft alles, was er hat, um diese eine Perle erwerben zu können. Jetzt also ist die Gelegenheit für das ganz große Investment. Der Mann mit dem Acker, wie auch der Kaufmann setzen alles auf eine Karte, weil sie von dem, was sie erhalten, bis ins Tiefste überzeugt sind.
Jesus erzählt diese Gleichnisse seinen Jüngern. Zuvor hatte er allgemein zu Leuten gesprochen, diese aber an einem bestimmten Punkt weggeschickt und sich den Jüngern zugewandt. Er stellt den Jüngern mit dem Gleichnis die Frage des Investors: Seid Ihr bereit, für das Himmelreich, also für die Erfüllung der verheißenen Gemeinschaft mit Gott alles zu geben? Seid ihr bereit, alles andere, das ihr habt, aufzugeben und fortan nur noch in der Nachfolge, in der Verkündigung und Verbreitung des Reiches Gottes zu arbeiten? Im Kern geht es um die Frage: Glaubt ihr mir, vertraut ihr mir? Seid ihr bereit, für mich alles auf eine Karte zu setzen?
Wenn wir uns vorstellen, dass diese Fragen an uns gestellt würden – was würden Sie antworten? Ich vermute, die Frage wird die meisten überfordern. Ist ein solches Investment nicht zu risikoreich? Wie tief muss mein Glaube sein, dass ich, wenn ich gefragt würde, dazu bereit wäre? Und bei all dem, was uns sonst im Leben und in der Welt so beschäftigt: Ist ein solches radikales Investment nicht unrealistisch? Kann ein Mensch wirklich so ungeteilt sein, dass er alles auf eine Karte setzt?
Ich habe in den Trauergesprächen der letzten Tage eine interessante Erfahrung gemacht. Ich sprach mit den Angehörigen eines Mannes, der im hohen Alter verstorben war. Was konnten mir die Angehörigen erzählen? Ich fragte sie, was ihren Verwandten im Leben besonders beschäftigt habe, womit er am liebsten seine Zeit verbrachte, was ihm wichtig gewesen sei. Sie überlegten lange. Richtige Hobbys habe er nicht gehabt, sagten sie, und ein Familienmensch war er eigentlich auch nicht. Er habe sich gerne zurückgezogen. Was ihm besonders wichtig gewesen sei, konnten sie mir nicht sagen. Und dann erzählten sie mit einem Mal von der Frau des Mannes. Diese sei lange Jahre sehr krank gewesen. Und der Mann? Ja, der habe sich intensiv um sie gekümmert. Er habe eigentlich alles dafür getan, dass es seiner Frau gut ging. Er war immer bei ihr. Er hat alles seine Zeit mit ihr verbracht.
Ist das nicht irgendwie die Geschichte des Kaufmanns, der die Perle findet oder des Mannes, der den Schatz im Acker entdeckt? Ist das nicht die Geschichte dessen, der alles investiert, weil ihm eins im Leben so kostbar geworden ist, dass es nichts anderes mehr gibt, wohin er seine Kraft stecken möchte? Ist es nicht vielleicht auch eine Antwort auf die Frage nach dem Himmelreich, dass sich in der selbstlosen Liebe verwirklicht, um ein Leben zu stützen und zu retten, das in Gefahr ist? Ist das nicht auch eine Form von Nachfolge im Sinne Jesu? Ich glaube kaum, dass der Mann dies alles getan hat, weil er sich bewusst dazu entschieden hat. Es war ihm wahrscheinlich selbstverständlich. Es ging um den Schatz seines Leben, seine Liebe, die er erhalten und vermehren wollte. Das Verborgene, Kostbare liegt offensichtlich oft näher, als wir es vermuten. Jesus stellt den Jüngern die Frage der Nachfolge nicht als eine abstrakte Frage. Die Jünger haben diese Frage nach der Nachfolge für sich wahrscheinlich schon längst beantwortet. Es hat sich für sie so ergeben. Der Schatz hat sich ihnen bereits gezeigt. So kann auch ich die Frage nach der Nachfolge nicht als abstrakte Frage, als Gedankenexperiment beantworten. Ihre Sinnhaftigkeit erschließt sich mir aus der Situation, in die ich gestellt bin. Ich werde sie wahrscheinlich auch nicht nur einmal zu beantworten haben, sondern an den Herausforderungen, den Kreuzungen des Lebens immer wieder neu. Dort, wo ich das Himmelreich finde, wird es mir mit Notwendigkeit erscheinen. Wahrscheinlich kann ich gar nicht anders, als in diesem Augenblick zu Gott, der mir in seiner Liebe begegnen “ja” zu sagen.