Home is where the Heart is

Wenn ich richtig gezählt habe, dann bin ich in meinem Leben schon 15 Mal umgezogen. Der häufige Wohnungswechsel ist auf der einen Seite schön, weil er immer wieder mit einem neuen Lebensabschnitt, einer neuen Aufgabe oder einem neuen Umfeld verbunden ist. Zugleich ist er auch problematisch. Jeder Wohnungswechsel fordert, abgesehen von der Last der immer aufwändiger werdenden Umzüge, von mir eine Umstellung. Ich muss mich in eine neue Situation hereinleben, mir meine Umgebung neu erschließen und mich zudem von Liebgewonnenem verabschieden. Ich kenne es gar nicht anders.

Eine meiner Wohnungen bezog ich als WG mit einem Mitbruder. Er brachte dabei einige alte Möbel mit, Erbstücke seiner Großeltern. Dabei erzählte er mir die Geschichte der Einrichtungsgegenstände. Er sagte, damals, als seine Großeltern geheiratet haben, war es so: Für die neue, gemeinsame Wohnung wurde ein Tischler bestellt. Der nahm das Aufmaß und fertigte die Möbel an. Massives Holz, das weder dazu gedacht war, dass es, einmal aufgestellt, wieder bewegt werden würde, noch dass es im Leben jemals ausgetauscht werden musste. Die Einrichtung und zugleich die Wohnung waren für eine lebenslange Dauer gemacht. In gewisser Weise war das der Gegenentwurf zur heutigen Zeit der schwedischen Möbelhäuser, wo alles nur auf Zeit gedacht ist, jederzeit abgebaut, ausgetauscht oder verändert werden kann.

„Irgendwann möchte man ja auch einmal ankommen“ – diesen Satz habe ich schon häufiger gehört. Es gibt bei vielen Menschen die Sehnsucht nach einem festen Ort, einem zu Hause, das Bestand hat. „Hier möchte ich alt werden“ – das ist ein ähnlicher Satz, der in diese Richtung zielt. Dauer und Beständigkeit: Das hat für den einen etwas Beruhigendes, für den anderen etwas Bedrohliches, erweckt es doch den Anschein, als ob es dann keine Bewegung mehr geben könnte.

Das Evangelium des Sonntags (Joh 14,1-12) zielt offenbar auf eine solche Beständigkeit ab. Bislang war für die Jünger, die mit Jesus unterwegs waren, das Leben eher unbeständig. Jesu öffentliches Wirken ist ein Leben auf Wanderschaft, in dem der „Menschensohn keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20). Nun aber, beim Abschied Jesu von seinen Jüngern im Abendmahlssaal, ist es anders. Jesus deutet seinen Weggang als ein Vorausgehen in eine ewige Heimat, in das Haus des Vaters mit den vielen Wohnungen. Damit spielt Jesus auf den Tempel an, oder auf die himmlische Wohnung Gottes. In Psalm 23 wird gesagt, dass es das Ziel des Menschen ist, „im Hause des Herrn zu wohnen für lange Zeit“. In Psalm 43 ist es die Sehnsucht eines Menschen, der im Leben gerade große Bedrängnis erlebt, von Gott die Richtung zu dessen Wohnung zu finden. Wo Gott ist, da ist Ruhe und Frieden. Wo Gott ist, da ist Beständigkeit, Freude und Wohlergehen. Wir lesen das Wort Jesu von den „Wohnungen im Haus des Vaters“ als Hinweis auf ein Leben nach dem Tod. Es könnte aber (darauf deuten die Psalmen schon hin) noch etwas anderes damit gemeint sein.

„Home is where the heart is“ – das ist der Titel eines Songs, der unter anderem von Elvis Presley gesungen wurde. Im Text heißt es: „Mein zu Hause ist dort, wo das Herz ist. Und wo mein Herz ist, das ist überall dort, wo du bist. Überall, wo du bist, da ist mein zu Hause“. Das zu Hause, die Wohnung, ist hier etwas Unsichtbares. Ich kann in der Unbeständigkeit des Lebens immer zu Hause sein, wenn mein Herz einen festen Punkt gefunden hat, an dem es sich verankert. Im Lied ist hier natürlich die Geliebte gemeint. Wenn ich das Prinzip des zu Hause-Seins stattdessen auf den Glauben beziehe, dann ergibt dies ebenfalls Sinn. Heimat ist ein Wohnen bei Gott, unabhängig davon, wohin das Leben mich führt. Die Heimat der Jünger ist im Evangelium ihre Gemeinschaft mit Jesus. Sie geht über die Trennung des Todes hinaus. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“, sagt der Auferstandene im Matthäusevangelium (Mt 28,20).

An diesem Sonntag feiern wir in St. Anna das Sakrament der Firmung. Das Verb „firmare“ heißt „stärken“ oder „bestätigen“. Es heißt aber bezogen auf eine Freundschaft auch: Die Freundschaft dauerhaft machen. In dieser Weise kann man diesen Schritt im Glaubensleben vielleicht besser verstehen. Ich bin im Heiligen Geist mit Jesus verbunden. Der Glaube und die Gemeinschaft mit ihm geben mir eine Sicherheit, einen Halt in der Unbeständigkeit des Lebens. Ich darf bei Jesus zu Hause sein. In dieser Weise kommen Bewegung des Lebens und Beständigkeit zusammen. Mein Herz findet eine Heimat.

Ich weiß noch nicht, was mich erwartet. Irgendwann wird es einen 16. Umzug geben. Meinetwegen kann es bis dahin gerne noch etwas dauern. Eine gewisse Unbeständigkeit lässt sich nicht vermeiden. Sie ist manchmal sogar sinnvoll. Entscheidend ist mir doch, nicht zu vergessen, wo mein zu Hause ist, unabhängig davon, wohin mich das Leben noch führt.  

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