Zeichen der Macht [zum Christkönigsfest]

Der Abschnitt aus dem Evangelium, das für den heutigen Christkönigssonntag ausgewählt wurde (Lk 23, 35-43) beginnt mit dem Satz: „In jener Zeit verlachten die führenden Männer des Volkes Jesus“. Es ist ein Satz, den ich zunächst nicht mit der Darstellung des Königtums, also der machtvollen Herrschaft Jesu in Verbindung bringen würde. Hier wird der, den wir als König verehren ausgelacht und verhöhnt. Jesus ist zum Tod verurteilt worden. Man richtet ihn am Kreuz hin. Eine Inschrift am Kreuz sagt, wer dies hier ist: Jesus, der König der Juden. Doch dieses Königtum wird von den Umstehenden nicht anerkannt. Im Gegenteil: „Jetzt ist der Spuk“ vorbei, so scheinen sie zu sagen. Einer, der sich in ihren Augen zum König erhoben hat, wird nun als Verbrecher entlarvt. Am Schluss steht das Kreuz als Zeichen des Scheiterns.

Die Zeichen der Macht und der Königsherrschaft sind eigentlich andere. Wir können sie in Schwerin oder auf Reisen bewundern: Prächtige Schlösser und Kathedralen, Goldschätze, Kunst, Triumphbögen, Denkmäler – das sind die Relikte vergangener Herrschaften, die Dinge, die errichtet wurden, um künftige Generationen an die Größe eines Herrscherhauses zu erinnern.

Was uns als Urlauber heute erfreut und in Bewunderung versetzt, hat aber häufig auch eine Schattenseite. Mit ist das in der vergangenen Woche noch einmal bewusst geworden. Ich war zu einem Termin beim Rundfunk in Berlin. Anschließend hatte ich Zeit und machte einen Besuch im Humboldtforum, dem großen Museumskomplex, der hinter der Fassade des rekonstruierten Stadtschlosses von Berlin errichtet wurde. Dort kann man die Schaustücke der völkerkundlichen Sammlungen Preußens und des Kaiserreiches bewundern.

In den letzten Jahren ist viel über eine solche Sammlung diskutiert worden. Gezeigt werden Schmuck- und Schaustücke aus Afrika, Südamerika und Ozeanien. „Das ist Raubkunst“, sagen viele heute. Ein solches Museum zeigt die ausbeuterische Kraft westlicher Staaten, die eine Herrschaft über die ganze Welt beanspruchen. Unter anderem sind in Berlin einige der sogenannten Benin-Bronzen zu sehen, von denen soviel berichtet wurde. Es handelt sich um Bronzegüsse, die unter anderem Abbilder von Herrschern des alten Königreichs Benin im heutigen Nigeria darstellen. Es sind Herrschaftszeichen eines untergegangenen Königtums, gestohlen bei der Eroberung des Palastes durch britische Soldaten. Doch auch die Herrscher von dort waren problematisch. Das Material der Bronzen stammt wohl aus dem Erwerb durch Sklavenhandel. Die Herrscher waren für ihre Grausamkeit bekannt. Ich konnte vor diesem Hintergrund die Beninbronzen nicht unbefangen anschauen. Sie tragen ihre Geschichte von ungerechter Herrschaft in verschiedenen Dimensionen in sich.    

Solche Zeichen der Herrschaft spiegeln die lange Geschichte von Gewalt und Ausbeutung, von Unterdrückung und Eroberung durch die Jahrhunderte. Sie gehören zu den Kennzeichen einer jeden mächtigen Herrschaft dazu.

Das Kreuz ist als Herrschaftszeichen etwas anderes. Es stellt die Geschichte derer dar, die gelitten haben. Es ist ein Artefakt der Unterdrückungsgeschichte anderer Art – einer Geschichte, die sich nach einer gerechten Herrschaft ausstreckt. „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ – so sagt es Jesus bei der Befragung durch Pilatus. „Nicht von dieser Welt“ – das heißt: Es ist eine Herrschaft, die ohne die Schattenseiten der Macht auskommt, ohne Eroberungen, Zerstörungen oder Unterdrückung. In seiner wechselvollen Geschichte ist es dem Christentum leider häufig nicht gelungen, diesen Anspruch einzulösen. Die „Herrschaft von dieser Welt“ hat sich immer wieder auch im Christentum durchgesetzt. Es scheint mir daher wichtig, an diesem Festtag wieder an die Ursprünge des Königtums Christi zurückzukehren. Es ist ein Königtum, das aus der Entäußerung und dem Mitleiden entsteht und in ein Leben nach der Gerechtigkeit und Herrlichkeit Gottes führen soll. Dass sich ein solches Königtum einmal durchsetzen kann, das war den Menschen unter dem Kreuz, die dort lachend stehen, unvorstellbar. Aber es setzt sich durch. Auch dies zeigt die christliche Glaubensgeschichte, die eben nicht nur eine Seite hat, sondern in ihren besten Zeiten und ihren besten Protagonisten eine Geschichte von Demut, Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Friedfertigkeit ist. Selig sind, die keine Gewalt anwenden, selig sind die Verfolgten, selig die Barmherzigen – so sagt es Jesus in der Bergpredigt. Einem solchen Herrschaftsideal dürfen wir uns verpflichtet fühlen, auch in einer Welt, die gerade wieder die Schattenseiten der weltlichen Herrschaft in Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung und Hochmut vor Augen geführt bekommt.  

2 Kommentare zu „Zeichen der Macht [zum Christkönigsfest]

  1. Danke, Sensus Fidei, für diesen Beitrag! 🙏 Beim Lesen habe ich den Sensus Fidei gehört. 🌞

    Gänsehaut.

    Ich möchte mit einem Zitat von aus einem Lied von Herman van Veen bedanken: „Alles, was ich hab, hab ich von einem andern. Nur meine Gänsehaut ist von mir selbst.“ 🐑🫶

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  2. Bitte den ersten Kommentar ignorieren: Hier ist die korrigierte Version:

    Danke, Sensus Fidei, für diesen Beitrag! 🙏 Beim Lesen habe ich den Sensus Fidei gehört. 🌞

    Gänsehaut.

    Ich möchte mich mit einem Zitat aus einem Lied von Herman van Veen bedanken: „Alles, was ich hab, hab ich von einem andern. Nur meine Gänsehaut ist von mir selbst.“ 🐑🫶

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