Im Januar 1963 stand an der Spitze der bundesdeutschen Charts „Junge komm bald wieder“ von Freddy Quinn. Überhaupt dominierten unter den meistverkauften Schallplatten die deutschen Schlager noch sehr. Immerhin: Auf Platz 15 fand sich schon „Return to Sender“ des jungen Elvis Presley. Wenn auch immer noch drei Plätze schlechter als der „Gartenzwerg-Marsch“ eines vergessenen Künstlers namens Billy Sanders, deutete sich schon zart das Ankommen der sogenannten Beatmusik in der Breite des deutschen Publikums an. Zumindest deuten die Künstlernamen der damaligen Periode schon auf eine große Amerika-Freundlichkeit hin.
Dies betraf sogar die christliche Musik und wagte erste Schritte aus der gewohnten Kirchenlied- oder Choral-Ästhetik heraus. Längst war bekannt, dass in den Vereinigten Staaten sogar im Gottesdienst Lieder im Stil der Zeit gespielt wurden. So findet sich in den Charts des Januars 1963 auf Platz 35 dann auch ein für die damalige Zeit ungewohnter Song wieder. Mit „Danke“ hatte der Botho-Lucas-Chor, ein Ensemble, das auch Schlager oder Volkslieder aufnahm, einen echten Hit gelandet.[1] Das Lied gilt als das erste Beat-Lied der deutschen Kirchengeschichte und ist erstaunlicherweise auch heute noch bekannt (was es mit „Junge komm bald wieder“ und „Return to sender“ gemein hat).
Obwohl „Danke“ schon so alt ist, wird es immer noch gesungen. Es ist ein ganz schlichtes Drei-Akkorde-Strophenlied mit einer sehr einfachen Melodie. Das repetitive „Danke“ am Anfang jeder Zeile macht es kinderleicht, mitzusingen. So schlicht und einfach ist wohl selten gedankt worden. Erst ab seiner fünften Strophe enthüllt das Lied, dass es ein christliches Lied ist:
„Danke, dass ich dein Wort verstehe / Danke, dass deinen Geist du gibst / Danke, dass in der Fern‘ und Nähe / Du die Menschen liebst. / Danke, dein Heil kennt keine Schranken / Danke, ich halt‘ mich fest daran / Danke, ach Herr, ich will dir danken, / dass ich danken kann.“
Diese letzte Strophe ist gar nicht so einfach: Danke, dein Heil kennt keine Schranken – wir können dich Gott in allem und über alles loben, selbst unsere Abgründe kannst du überwinden, so dass wir in dir Halt finden. Ich danke dir, dass du mich geschaffen hat, dass ich als dein Geschöpf überhaupt dankbar sein kann. – So in etwa ist der Subtext, der in der schlichten Strophe mitgegeben wird.
Es ist der Text des heutigen Evangeliums. Jesus, der unterwegs auf zehn schwerkranke Menschen trifft, zeigt an ihnen Gottes Gnade. Sie werden gesund. Dies ist im Geist der Zeit zugleich eine religiöse Aussage. Da die Krankheit zuweilen als Zeichen der Sünde gedeutet wurde, ist mit der Heilung zugleich die Sünde überwunden. Gott tut also mehr, als die Kranken erwarten dürfen. Und dann ist das das Problem mit dem „Danke“. Nur einer der Zehn versteht offenbar, was dort gerade geschehen ist. Er kommt zu Jesus zurück und dankt ihm überschwänglich. Es ist ein einfacher, aber zugleich sehr tiefer Dank, denn der Geheilte weiß, dass er das, was an ihm geschehen ist, niemals gutmachen kann.
Normalerweise ist es ja mit dem Danken so: Wenn ich etwas empfange, dann möchte ich es auch wieder zurückgeben. Der Kirchenlehrer Ambrosius (4. Jahrhundert) vergleicht die Dankbarkeit mit einem Bild.[2] Er sagt: Beim Dank muss es eigentlich sein, wie beim Korn auf dem Feld. Ist einmal der Same gesät, also einmal das Gute an einem Menschen geschehen, dann bringt es Frucht und gibt das Empfangene in großer Menge zurück. Ambrosius deutet so die guten Taten der Menschen als eine Möglichkeit der Dankbarkeit gegenüber Gott, auch wenn der Mensch in seinem Dank nie das einholen kann, was er von Gott empfangen hat.
So ist der Verzicht auf den Gestus der Dankbarkeit ein weiterer Aspekt des Verhaltens Jesu im Evangelium. Er lobt zwar den einen, der zurückgekommen ist und fragt nach den anderen. Er nimmt das Geschenk der Gesundheit an ihnen allerdings nicht zurück. Sein Schenken ist offenbar ohne Hintergedanken, ohne Erwartung oder Anspruch. So wie Jesu Handeln reines Geschenk ist, so soll auch der Dank reines Geschenk sein, also etwas, was man nicht muss, sondern was man aus reiner Freude tut. Das Danken ist etwas Leichtes, Schönes und Einfaches zur Freude Gottes und zu unserer eigenen Freude. Aus einem solchen Dank wird sicher auch wieder etwas Gutes wachsen können.
Wir feiern die Eucharistie, die große „Danksagung“ (das meint das griechische Wort). Es ist ein Loben, Preisen und Danken Gottes für alles, sogar „für manche Traurigkeiten“, wie es das Lied „Danke“ sagt. Unser Leben steht in Gottes Hand. Wir dürfen dankbar dafür sein. Ganz einfach.
[1] Zum Nachhören: DANKE – BOTHO LUCAS CHOR
[2] Ambrosius, Über die Pflichten, Buch 1, Kapitel 31.