Der Sinn des Lebens [zum Dreifaltigkeitssonntag]

Was ist der Sinn des Lebens? Der Katholische Katechismus von 1955 beantwortete die Frage in einem Satz: Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“ Die Direktheit dieses Satzes ist ein wenig erschreckend. Kann man das wirklich so sagen? Mit dieser Eindeutigkeit tut sich selbst der heute gültige Katechismus schwer. Er umschreibt die Suche nach dem Sinn des Lebens eher, als das er sie beantwortet: Zum Sinn des Lebens gehört es, glücklich zu sein. Wie man allerdings glücklich werden kann – dazu gibt es viele Wege.

Was ist passiert? Die Kirche hat in ihrer Verkündigung eine Wende vollzogen. Der neue Katechismus versuchte, die Antworten auf die großen Fragen des Glaubens und Lebens vom Menschen her zu geben. Weil Menschen zu den verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Lebenssituationen, mit ihren unterschiedlichen Überzeugungen sehr unterschiedlich sein können, verschwindet die Eindeutigkeit mancher Antwort in dem Versuch, einen Denkweg miteinander zu gehen. Die alte kirchliche Schule neigte dazu, ihre Antworten von der Warte Gottes, aus seiner Offenbarung und der Glaubenstradition heraus zu definieren. Sie tat sich mit klaren Aussagen daher leichter, mit der Folge, dass ihre Antworten nicht für jeden, nicht einmal für jeden Christen gleich annehmbar und verständlich waren.

Was ist der Sinn des Lebens? Antwort: „Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“ Ich möchte trotz aller möglichen Einwände diesen Satz gerne retten. Er ist besser, als er auf den ersten Blick zu sein scheint.

Monty Python, die englische Komikergruppe hat in den 1980er Jahren ihren Film „Der Sinn des Lebens“ („Meaning of Life“) veröffentlicht. Ich habe diesen Film als Jugendlicher wegen seiner absurden Komik sehr gemocht. Das Werk ist sehr intelligent (Warnung: Es ist auch sehr explizit, teilweise brutal und nichts für sanfte Gemüter). Der Film schildert in verschiedenen Episoden das menschliche Leben von der Entstehung bis zum Tod. Er nimmt satirisch die Versuche aufs Korn, den Sinn des Lebens zu erklären. Alle Versuche, inklusive der religiösen scheitern dabei in großer Absurdität. Mein Eindruck war, dass der Film eine nihilistische Antwort gibt: „Die Welt und das Leben sind absurd. Es gibt keinen Sinn des Lebens.“

Doch ganz so scheint es nicht zu sein. In der Mitte des Films kommt es zu folgender Szene. Eine Frau, deren Leben gerade bedroht wird, versucht, ihr Leben zu verteidigen. Da steigt aus ihrem Kühlschrank ein Sänger im Showkostüm. Er übernimmt die Rolle eines Philosophen, eines Deuters ihrer Situation. Er führt die Frau aus ihrem Haus zu einer Erkundung des Weltalls. Dabei singt er den Galaxy-Song[1]. Dessen Text lautet paraphrasiert ungefähr:

Denken Sie daran, dass Sie sich auf einem Planeten befinden, der sich mit 900 Meilen pro Stunde dreht. Er kreist mit 19 Meilen pro Sekunde um die Erde kreist, so die Schätzung, eine Sonne, die Quelle all unserer Energie ist. Die Sonne, Sie und ich und alle Sterne, die wir sehen können bewegen sich eine 1 Millionen Meilen pro Tag in einem äußeren Spiralarm der Galaxie, die wir die „Milchstraße“ nennen. Unser Universum besteht aus Milliarden Sternen. Es dehnt sich immer weiter aus, in alle Richtungen, in die es sausen kann, so schnell es nur kann, mit Lichtgeschwindigkeit, wissen Sie? Denken Sie also daran, wenn Sie sich sehr klein und unsicher fühlen, wie unglaublich unwahrscheinlich Ihre Geburt ist. Beten Sie, dass es irgendwo im Weltraum intelligentes Leben gibt, denn hier unten auf der Erde gibt es so gut wie keins!

Ich weiß nicht, ob Monty Python hier bewusst oder unbewusst eine Antwort gibt, die erstaunlich ähnlich zur biblischen Theologie und zu der des alten Katechismus ist:

Als Hiob sich im gleichnamigen biblischen Buch sich die Frage nach dem Sinn stellt, und in seinem Leben nur noch Sinnlosigkeit entdecken kann, offenbart sich ihm Gott als der Schöpfer. Er führt ihm die Wunder der Schöpfung und damit auch seine Größe vor Augen (Hiob 38-39). Das Buch der Sprichwörter (Spr. 8, 22-31) erkennt im Wunder der Schöpfung das Wirken der göttlichen Weisheit, in der alles umfasst wird und seinen Platz erhält. Der Mensch hat die Möglichkeit anzunehmen, dass alles das Zufall ist, oder, dass es aus einer großen Weisheit und Liebe des Schöpfers geworden ist. Bei dieser Option ist der Mensch Teil dieses wunderbaren Werkes, in all seiner Schwäche und Vergänglichkeit zwar, aber auch mit all seiner eigenen Größe und Begnadung. Er hat Anteil an dieser Weisheit. So wird ihm sein Platz, seine Würde, sein Auftrag durch die Liebe des Schöpfers gegeben. Zugleich weiß er, dass er in diese Liebe zurückgehen wird. Die Unwahrscheinlichkeit seines Daseins kann er so im richtigen Geist deuten. Dies meint der Satz des Katechismus: „Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“

Der Galaxy-Song endet mit der ironischen Bemerkung: „Beten Sie, dass es irgendwo im Weltraum intelligentes Leben gibt, denn hier unten auf der Erde gibt es so gut wie keins!“ Monty Pythons Film illustriert das immer wieder. Die Menschen haben gar kein Bedürfnis nach echter Erkenntnis, echtem Verstehen und Fühlen, weil sie sich davon durch allerhand Trivialitäten ständig ablenken lassen. Christlich würden wir sagen: Das Erkenntnisvermögen des Menschen ist eingeschränkt. Es ist (theologisch gesprochen) durch die Wirklichkeit der Sünde, also die Abkehr von Gott immer schon belastet. Es läuft ständig Gefahr, sich zu verirren und vom Eigentlichen abbringen zu lassen. Es bedurfte daher der Selbstoffenbarung Gottes in seinem Sohn, seinem Wort Der umfassende Geist ist nicht der Geist des Menschen, sondern Gottes Geist, der „sich unserer Schwachheit annimmt“ (Röm 8,26). Wer also die Frage nach dem Sinn des Lebens rein für sich beantworten möchte, wird immer nur vorläufige oder auch falsche Antworten finden. Im letzten kann diese Frage nur durch die göttliche Initiative ihre Antwort erhalten.

So versucht es der alte Katechismus mit seiner knappen Antwort zum Sinn des Lebens – eine Antwort, die gar nicht so schlecht ist, wie ich finde.

Beitragsbild: Sternehimmel (6. Jh.), Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia, Ravenna


[1] Galaxy Song – Monty Python’s The Meaning of Life

Hinterlasse einen Kommentar