Im Jahr 1622 wurde der Heilige Ignatius von Loyola in Rom heiliggesprochen. Anlässlich dieses Ereignisses beschloss der Jesuitenorden den Bau einer Kirche zu Ehren seines Gründers. Es wurde eine selbst für römische Verhältnisse riesige Kirche, mitten in der heutigen Innenstadt.
Bei jedem Rombesuch mache ich einen Abstecher dorthin. Dafür gibt es drei Gründe: Zum einen bin ich der Kirche biografisch sehr verbunden (ich wurde dort vor 20 Jahren zum Priester geweiht), zum zweiten ist die Kirche mit ihrem schweren römischen Barock aus künstlerischem Gesichtspunkt eine echte Sehenswürdigkeit. Zum dritten ging ich gerne dorthin, weil die Kirche immer ein ruhiger Ort mitten im römischen Getriebe von Touristen, Straßenhändlern und Motorenlärm war. Ich benutze bewusst die Vergangenheitsform. Denn mit der Ruhe ist es seit einiger Zeit gründlich vorbei. Als ich im Februar in Rom war, konnte ich mich davon selbst überzeugen. Wo sich früher nur einzelne Touristen im weiten Kirchenraum verloren, steht heute eine lange Schlange. Jeder scheint auf einmal Sant Ignazio zu kennen.
Der Grund dafür ist eine simple Idee. Irgendjemand hat in der Kirche in der Mitte des Hauptschiffes einen Spiegel aufgestellt. Ursprünglich war er dafür gedacht, das prächtige Deckengemälde in Ruhe betrachten zu können, ohne sich den Hals verrenken zu müssen. Das Deckengemälde zeigt eine barocke Scheinarchitektur. Steht man mittig unter dem riesigen Bild, hat man den Eindruck, die Decke wäre aufgebrochen. Römische Säulen verlängern die Kirchenarchitektur. Darüber steht der Himmel offen. In der Ferne der himmlischen Weiten ist auf einer Wolke Christus mit dem Kreuz zu sehen. Von ihm scheint ein Lichtstrahl auf den zum Himmel emporschwebenden Ignatius. Von seiner Gestalt aus bricht der Lichtschein in vier Strahlen, die auf die symbolisch in Figuren und Tiergestalten dargestellten vier Erdteile fallen (Australien kannte man zum Bauzeitpunkt noch nicht). Die Aussage ist einfach: Durch das Werk des Ignatius hat sich der Glaube an Christus in die ganze Welt verbreitet. Die Jesuiten des 17. Jahrhunderts waren als Missionare tatsächlich weltweit und mit einigem Erfolg tätig.
Zurück zum Spiegel. Irgendwann hat jemand begonnen, Selfies von sich im Spiegelbild zu machen und in sozialen Netzwerken zu teilen. Das Ergebnis des Fotos ist sehr schön. Das Foto zeigt mich, über mir der Himmel. Ich werde zu einem Protagonisten des Bildes. Unzählige Besucher haben genau dieses Foto gemacht und gepostet. Es ist zu einem Instagram-Klassiker geworden. Jeder, der Rom besucht, möchte dieses Bild machen, so, wie er oder sie sich vorher münzwerfend am Trevibrunnen fotografiert hat oder am optischen Punkt auf dem Petersdom.
Dass es mit der Ruhe in Sant Ignazio vorbei ist, hat mich gestört. Im Nachdenken allerdings fand ich das Bildmotiv sehr passend. Es illustriert den heutigen Himmelfahrtstag. Nach seiner Auferstehung trifft Jesus die Jünger noch einmal wieder. Es ist die Zeit des Übergangs. Vor ihren Augen wird er zum Himmel emporgehoben und entzieht sich ihren Blicken. Der Gedanke dahinter: Christus löst in seiner Auffahrt zum Vater die raum-zeitlichen Grenzen seines Wirkens auf. Das Ereignis der Erlösung in Kreuz und Auferstehung damals, vor langer Zeit in Jerusalem zeigt seine überzeitliche und weltweite Bedeutung. Mit der Himmelfahrt ist dieser Übergang markiert. Die Jünger erhalten von Jesus den Auftrag: „Ihr werdet meine Zeugen sein in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Das Matthäusevangelium fügt in der Abschiedsszene Jesu noch einen weiteren Auftrag hinzu: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19f.). Von der Himmelfahrt an entsteht durch Glaube und Taufe die Gemeinschaft Jesu, die sich zu allen Zeiten und an allen Orten bildet. Auf griechisch heißt das „katholisch“ – „dem Ganzen nach, überall, jederzeit“.
Der Blick in den Spiegel von Sant Ignazio. Das „Insta“ vom Himmel zeigt mich vor offenem Himmel. Dort oben Christus. Ich stehe wie einer der Jünger bei der Himmelfahrt unten. der Lichtstrahl, der von Christus ausgeht bricht sich im Zeugnis seiner Jünger, im Zeugnis der Gläubigen aller Zeiten und gelangt schließlich auch zu mir, dem zeitlich und örtlich so fernen. Er darf in so vielen Menschen auf der ganzen Erde widerscheinen. Mit dem Absenden in die Weiten des Internets wird dieses Foto wieder Teil einer weltweiten Gemeinschaft und (ob man wollte oder nicht), zu einem kleinen Glaubenszeugnis.
Beitragsbild: Deckengemälde von Sant Ignazio (Rom), allerdings ohne Selfie