Wer wird der nächste Papst?

Spätestens jetzt, nach den Trauerfeierlichkeiten und der Beisetzung von Papst Franziskus, richtet sich die Aufmerksamkeit der Medien und der interessierten Katholiken auf das bevorstehende Konklave und die Frage, wer wohl der nächste Papst werden wird. Die großen Nachrichtenportale haben dazu ihre Vatikanexperten befragt und Listen möglicher Kandidaten zusammengestellt. Ich werde derzeit auf diese Frage auch häufig angesprochen und möchte daher kurz meine Meinung dazu äußern.

Der gerade mit Oscars prämierte Film „Konklave“ versuchte, die Situation nach dem Tod von Papst Franziskus (der im Film natürlich anders heißt), zu antizipieren. Er schildert das Konklave als eine Auseinandersetzung zwischen einem liberalen und einem konservativen Flügel innerhalb des Kardinalskollegiums. Da sich die Parteien nicht verständigen können, wird am Ende ein krasser Außenseiter gewählt. Diese „Versuchsanordnung“ ist für Konklave nicht ungewöhnlich und ist geschichtlich auch schon in ähnlicher Weise vorkommen. Der Film trifft allerdings die nun eingetretene reale Situation nicht ganz. Angesichts der Trauerfeierlichkeiten und der großen weltweiten Anteilnahme am Tod des Papstes wurde deutlich, dass Franziskus als eine prägende, charismatische und beliebte Persönlichkeit gewürdigt wird. Sein Stil und seine inhaltlichen Impulse haben offenbar Anklang gefunden. Das päpstliche Programm hatte folgende Schwerpunkte gesetzt: 1. Dezentralisierung der Kirche, die als wirkliche „Weltkirche“ verstanden werden muss. 2. Hinwendung zu den „Rändern“, sowohl im sozialen als auch globalen Sinn. 3. Stärkung der synodalen Strukturen und der Nicht-Kleriker bei der Gestaltung der kirchlichen Entscheidungen. 4. Vorrang der Evangelisierung und Seelsorge vor rechtlichen Bestimmungen und Lehrfragen.

Die zahlreichen Kardinalsernennungen, die Franziskus vorgenommen hat, sahen sich diesem Programm verpflichtet. Er versagte den „Traditionskardinalaten“ vor allem der großen europäischen Diözesen die Verleihung des Kardinalpurpurs und wählte stattdessen Bischöfe von den Rändern der Weltkirche, Vertreter von Minderheitskirchen in der katholischen Welt und Persönlichkeiten, die sich durch ihr besonderes soziales oder seelsorgliches Wirken ausgezeichnet hatten. Von den 135 wahlberechtigten Kardinälen sind 108 von Franziskus ernannt worden. Die Kardinalserhebungen waren für Franziskus offensichtlich das entscheidende Instrument, um eine Fortführung seiner „Kirchenpolitik“ zu gewährleisten. Die nun in Rom versammelten Papstwähler dürften inhaltlich viel weniger uneins sein, als dies von außen scheinen mag. Der Kreis der traditionell-konservativ orientierten Kardinäle ist klein und besteht zum großen Teil eher aus Außenseitern, die wenig zu einer Mehrheitsbildung im Konklave beitragen werden. Im Kern läuft es auf eine Kontinuität in der Grundausrichtung hinaus, die Papst Franziskus der Kirche gegeben hat.

Die neue Zusammensetzung des Kardinalskollegiums bringt es mit sich, dass viele der Papstwähler einander wenig kennen dürften. Man ist sich eben zumindest im Gros selten begegnet. Es gibt somit wenige „bekannte“ Persönlichkeiten, die bereits eine weltweite Reputation besitzen.

Die nationale Zugehörigkeit der Kardinäle spielt kirchenintern eine wahrscheinlich viel geringere Rolle, als dies in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Dass eine Gruppe, etwa „die Europäer“ einen Kandidaten durchsetzen möchten, würde voraussetzen, dass „die Europäer“ eine geschlossene Gruppe wären. Gesucht wird wahrscheinlich eher eine Person, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Interessen aus der globalen Kirche eingehen kann. Woher diese Person stammt, ist zweitrangig.

Die Vertreter der westlichen Welt (Europa und Nordamerika) haben allerdings mit 73 Stimmen immer noch eine Mehrheit unter den Papstwählern. Gerade aus diesem Kreis ist kirchenintern häufig Kritik an der Amtsführung von Papst Franziskus geäußert worden. Vielleicht bringt es eine charismatische Persönlichkeit mit sich, dass sie auf der strukturellen Seite Defizite hat. Die Amtsführung des Papstes galt vielen als zu sprunghaft, diplomatisch nicht immer geschickt, vor allem aber als häufig zu unkonkret. Angestoßene Veränderungen wurden aus „klassischer“ theologischer Sicht nicht konsequent in Recht und Lehre umgesetzt. Auch der Umgang mit der römischen Kurie, die vor spontanen Umbesetzungen von Ämtern und hastigen Reformen betroffen war, wurde kritisiert. Viele Bischöfe dürften sich für die nächsten Jahre eine etwas ruhigere und konsequentere Amtsführung aus Rom wünschen, also einen Papst, der der Kirche mehr Verlässlichkeit und Ordnung gibt.

Dieser Wunsch ist historisch in den Papstwahlen häufiger schon wichtig geworden. Auf einen charismatischen Papst (der meist „von außen“ kam) folgte in der jüngeren Kirchengeschichte mehrmals ein „ordnender“ Papst (der die Kurie gut kannte). Auf Pius IX., den vielleicht mächtigsten und gleichzeitig umstrittensten Papst des 19. Jahrhunderts folgte mit Leo XIII. ein ausgebildeter päpstlicher Diplomat. Nach Pius X., dem „Pfarrer auf dem Papststuhl“, folgte mit dem ruhigen Benedikt XV. wieder ein ausgewiesener Diplomat und ehemaliger Mitarbeiter des Staatssekretariates („Außenministerium“ des Vatikans). Johannes XXIII., der die Reformen des II. Vatikanums angestoßen hatte wurde von Paul VI. beerbt, ebenfalls langjähriger Kirchendiplomat. Schließlich folgte auf Johannes Paul II. mit Benedikt XVI. dessen langjähriger Vertraute und Leiter der Glaubenskongregation, wohl auch mit der Absicht, das Pontifikat des polnischen Papstes in dessen Sinn weiterzuführen.

Gesucht wird im nächsten Konklave wahrscheinlich also ein neuer Papst, der die Linie von Franziskus in einer geordneten Weise weiterführen kann. Es läuft damit auf einen großen Favoriten zu, den Staatssekretär Pietro Parolin. Er hat die päpstliche Diplomatenlaufbahn durchlaufen, war in verschiedenen Teilen der Welt eingesetzt. Er hat sich innerkirchlich den Ruf erworben, in umsichtiger Weise das Pontifikat des argentinischen Papstes unterstützt und so manche diplomatische oder innerkirchliche Verstimmung ausgebügelt zu haben. Als einer der wenigen hat er sein Amt die gesamte Zeit des Franziskus-Pontifikats behalten und wird in die Reformbestrebungen des Papstes als enger Vertrauter einbezogen gewesen sein. Als Alternative wird der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle gehandelt, der eher ein Kandidat der „Weltkirche“ ist, allerdings in den vergangenen Jahren als Präfekt, später Pro-Präfekt des Evangelisierungsdikasteriums kuriale Erfahrung sammeln konnte. Tagle ist als Theologe zudem in den USA ausgebildet worden und könnte somit als Brückenbauer zwischen dem „Westen“ und „Süden“ gut geeignet sein. Beide genannten Kandidaten verfügen zudem mit Anfang 70 über ein Alter, das hinsichtlich der vermutlichen Länge eines Pontifikats als günstig gilt. Alle anderen sind Außenseiter. Der Ghanaer Peter Turkson, der schon länger als „papabile“ gilt, ist ein Mann Benedikts XVI. und wurde zudem von Franziskus 2022 seiner kurialen Zuständigkeiten enthoben. Unter den Europäern ist vor allem der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich als europäischer Synodenpräsident des weltweiten synodalen Prozesses als „Mann Franziskus‘“ aufgefallen. Hollerich ist allerdings Jesuit wie Franziskus selbst, was seine Aussichten schmälert, überhaupt in den engeren Kreis der Kandidaten aufgenommen zu werden.

Es gibt die alte Weisheit: „Wer als Papst in das Konklave einzieht, kommt als Kardinal wieder heraus“. Bei allen Prognosen und Wahrscheinlichkeiten gilt das Konklave in gewisser Weise als unberechenbar. Wer der neue Papst wird, zeigt sich tatsächlich erst, wenn es soweit ist.

Einen Tipp möchte ich aber doch abgeben. Der nächste Papst könnte sich meiner Meinung nach gut den Namen „Paul“ geben. Paul VI. war für Papst Franziskus ein großes Vorbild. Er hat ihn mehr als andere Päpste zitiert. In seiner Rolle als „ordnende Hand“ im ausklingenden II. Vatikanum und bei der Umsetzung des vom Konzil angestoßenen Reformen hat er Aufgaben übernommen, die jetzt wieder auf einen neuen Papst zukommen.   

Beitragsbild: Blick vom Petersdom auf den Vatikanischen Palast           

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