Konklave – Willkommen im Intrigenstadl

Derzeit läuft in den Kinos der Film „Konklave“ des Regisseurs Edward Berger. Da ich derzeit häufig nach meiner Meinung dazu gefragt werde, hier eine kurze Rezension.

Der Film schildert die Papstwahl, die in der geschlossenen Versammlung der Kardinäle, im Konklave stattfindet. Der alte Papst, sehr offensichtlich in Parallele zu Papst Franziskus gesetzt, stirbt in seiner Wohnung, die sich (wie beim aktuellen Papst) nicht im vatikanischen Palast, sondern im Gästehaus des Vatikans befindet. Der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Lawrence (gespielt von Ralph Fiennes) sieht sich vor der Herausforderung, in seiner persönlichen Trauer um den Verstorbenen die Wahl des neuen Papstes zu organisieren und zu leiten. Sein innervatikanischer Gegenspieler ist Kardinal Tremblay, der offensichtlich als Staatssekretär und damit zweiter Mann in Vatikan eingesetzt war. Er gilt selbst als einer der möglichen Nachfolger auf dem Stuhl Petri. Das Kollegium ist gespalten. Auf der einen Seite setzt sich eine Gruppe für einen liberalen Kandidaten ein, wobei sich die Liberalität in einer progressiven Haltung zu den aktuellen kirchlichen Kontroversthemen wie Homosexualität und die Rolle der Frau der in der Kirche ausdrückt. Eine andere Gruppe scheint sich auf den eher reaktionären Patriarchen von Venedig festgelegt zu haben. Dieser Kardinal, erfrischenderweise nicht als Finsterling, sondern eher als jovialer italienischer Lebemann dargestellt, träumt von der Rehabilitierung der tridentinischen Liturgie und von einer erstarkenden Kirche alten Stils. Im Film trägt er bezeichnenderweise den Nachnamen „Tedesco“ („der Deutsche“) und hält an einer Stelle eine Kulturkampfrede, die stark an die Predigt Kardinal Ratzingers zu Beginn des Konklaves seiner eigenen Wahl angelehnt ist. Ein weiterer Favorit ist der „Kandidat der Weltkirche“, ein nigerianischer Kardinal, der allerdings durch seine stramm konservative Haltung in moralischen Fragen für viele der Europäer als unwählbar gilt. Wer wird im Konklave also das Rennen machen? Der Staatssekretär, der Kandidat der Weltkirche, der liberale oder der konservative Kandidat – oder vielleicht der Dekan selbst, der sich allerdings wegen seiner eigenen Glaubenszweifel zunächst für ungeeignet hält. Zudem taucht unverhofft ein weiterer Papstwähler auf, der Erzbischof von Kabul, ein gebürtiger Mexikaner, der vom Papst „in pectore“, also „im Geheimen“ ernannt wurde.

Die Grundsituation imaginiert halbwegs realistisch das Meinungsbild innerhalb des Episkopats, wie es sich bei der nächsten Papstwahl zeigen wird. Allerdings zeigt der Film, der auf einer älteren Buchvorlage beruht, eine Situation, wie sie vor einigen Jahren gewesen ist, bevor der aktuelle Papst durch zahlreiche Neuernennungen von Kardinälen die Zusammensetzung des Kollegiums einschneidend verändert hat. Für ein ordentliches Drama muss der Film nun einige zusätzliche Annahmen hinzufügen. Dazu gehört, dass der verstorbene Papst selbst bereits Weichen für seine Nachfolge gestellt hat, die erst im Laufe der Zeit erkennbar werden. Es gibt eine Intrige, die einem der Kandidaten noch während des Konklaves zum Verhängnis wird. Es gibt taktische Besprechungen, Strategien und jede Menge menschliche Probleme und Abgründe, die für die Papstwahl eine Rolle spielen und schließlich äußere Faktoren des Weltgeschehens, die Einfluss nehmen. Dementsprechend verändert sich das Meinungsbild in den geheimen Wahlgängen des Konklaves. Falls man nicht schon von Beginn des Films an ahnt, worauf die Dramaturgie zulaufen wird, ist dies durchaus spannend zu beobachten. Ob die Situation realistisch eingefangen wurde, lässt sich schwer einordnen. Der Logik eines Hollywoodfilms gemäß fällt der geistliche Aspekt des Geschehens weitgehend heraus. Im Mittelpunkt steht das Drama im Spiel um Macht und Einfluss –  wobei der Film insofern differenziert, als dass fast alle Kandidaten Zweifel haben, ob sie dem Papstamt angesichts ihrer eigenen Schwächen gewachsen sind. Die Figuren werden in einer gewissen Ambivalenz gezeigt, die auf klare Zuordnungen von „gut“ und „böse“ verzichtet. Darin unterscheidet sich der Film von den gewohnten Blockbustern und vermittelt einen gewissen Realismus.

Genau dieser Realismus wird bei einem Vatikanfilm natürlich hinterfragt. Um es gleich zu sagen: Es ist und bleibt ein Film. Die geschilderten Abläufe, die Figuren, die Ausstattung lehnen sich der Dramaturgie wegen nur an die wirklichen Vorgänge des Konklaves an. Dies ist für einen Film, der eine Geschichte erzählen möchte, fast notwendig der Fall. Zunächst einmal sind die während der Handlung auftretenden Überraschungen einschließlich Geheimfach mit brisanten Dokumenten in der päpstlichen Wohnung äußerst unrealistisch. Ein „in pectore“ ernannter Kardinal wäre in der Kurie und beim Kardinaldekan selbstverständlich bekannt und würde nicht als Überraschung spontan beim Konklave auftauchen. Auch gäbe es eine im Sekretariat hinterlegte Dokumentation für päpstliche Anordnungen, selbst wenn sie diskret gehandhabt werden. Ebenso ist die Abschottungssituation zu hinterfragen. Im Film hat lediglich der Dekan Kontakt zur Außenwelt und setzt diese Möglichkeit ein, um das Konklave zu beeinflussen.

Das Szenenbild zeigt uns einen Vatikan, der natürlich nicht der Vatikan ist. Für die Produktion wurde die sixtinische Kapelle im Filmstudio sehr überzeugend nachgebaut. Die Szenen im Vatikanischen Palast wurden in Caserta gedreht, mit der Folge, dass hier ein barockes Prachtschloss gezeigt wird, das mit dem Renaissancepalast des Vatikans wenig Ähnlichkeiten hat. Der Damasushof, der Innenhof des Vatikanischen Palastes, wurde durch einen kleinen Renaissancecortile ersetzt, wirkt aber trotzdem überzeugend. Für die rauchenden Kardinäle hätte man aber wohl auch im Vatikan Aschenbecher aufgestellt. Schließlich ist da noch das Gästehaus des Vatikans, in dem die Kardinäle untergebracht sind. Die originale Casa Sanctae Marthae wurde hier durch einen schauerlichen mit Marmor ausgekleideten Bunker ersetzt, der offensichtlich in Mussolinis EUR-Viertel steht. Die Kardinäle treffen sich daher zum Essen (bei dem sie alle bereits die rote Kardinalssoutane tragen, was in Wirklichkeit auch anders sein dürfte) in einem schrecklichen Kellerraum mit roten Plastikstühlen. Die Soutanen der Kardinäle sind aus einem groben Wollstoff gefertigt, die Chorhemden sind zu lang und zu grob gewebt, die Pileoli (die kleinen Bischofskäppchen) sind zu weit, die Kollare (weiße Einsteckkragen) entsprechen nicht der derzeitigen „Mode“, das Kardinalsrot ist zu dunkel. Die Kostümausstatter haben sich offenbar an älteren Vorlagen orientiert. Aber das sind Kleinigkeiten, die Spezialisten auffallen mögen.

Insgesamt werden die Abläufe in der „Sistina“ sehr original gezeigt. Gänzlich missraten ist lediglich die Darstellung der vor dem Konklave stattfindenden „Messe zur Wahl des Papstes“. Sie findet in Wirklichkeit im Petersdom statt und wird im Film in einen profanen Saal verlegt und eher als Konferenz gezeigt, bei der die anwesenden Kardinäle sinnloserweise ein Messgewand tragen. Auch setzt der Dekan zur Predigt im Film die Mitra zur Predigt ab, während alle anderen sie aufbehalten. Eigentlich ist es genau umgekehrt. Aber auch dies ist eher der Inszenierung geschuldet. Insgesamt schafft der Film gerade durch die Einheitlichkeit der Kleidung sehr eindrucksvolle „Wimmelbilder“ und vermittelt so einen bleibenden Eindruck der Versammlung alter Männer und ein Bild der Kirche als geschlossene Einheit.

Damit sind wir beim eigentlichen Kernpunkt des Films. Kein Drama kommt ohne Subtext aus. Das Konklave dient als Parabel und Schauplatz für ein übergeordnetes gesellschaftliches Thema. Gegen die Schar der Kardinäle setzt der Film nämlich die „Schar der Ordensschwestern“ ins Bild. Während sich die „Kirchenfürsten“ im Cortile sammeln, beginnt im Gästehaus die Arbeit. Eine Schar von Schwestern bereitet die Zimmer und das Essen für das Kollegium zu. Diese Darstellung ist wiederum nicht realistisch. In der Wirklichkeit würden die Arbeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gästehauses übernommen. Die Darstellung hat aber für den Film eine wichtige Funktion: Die Schwestern sind die einzigen Frauen, die gezeigt werden. Sie erscheinen in fast ausschließlich dienender Funktion, auch wenn eine von ihnen, Schwester Agnes für den Verlauf des Konklaves noch eine wichtige Rolle spielt. Die klare Rollenaufteilung thematisiert die Gleichberechtigung der Geschlechter und vermittelt dem neutralen Beobachter natürlich ein in dieser Hinsicht düsteres Bild der Katholischen Kirche. Es wird sich, um noch nicht zu viel zu verraten, im Verlauf des Filmes zeigen, dass das Thema Männer / Frauen am Schluss noch eine entscheidende Rolle spielen wird. An dieser Darstellung werden sich einige kirchliche Kreise natürlich stoßen und darin einen Ausdruck der angefeindeten Hollywood-Wokeness sehen. Anderen wird die Darstellung noch nicht weit genug gehen.

Insgesamt ist „Konklave“ ein durchaus gelungener Film und funktioniert (einmal abgesehen vom vorhersagbaren Ausgang) auch als Drama gut. Dies liegt auch an den guten Schauspielern, denen es allerdings vom Drehbuch auch gegönnt wurde, interessant gezeichnete Charaktere zu verkörpern. Der Film ist in weiten Teilen relativ nah an der Wirklichkeit, auch wenn man ihm die abgebildete Wirklichkeit natürlich nicht zur Gänze glauben sollte. Alles weitere wird uns das nächste „echte“ Konklave sicher zeigen.        

Hinterlasse einen Kommentar