Es ist wieder Zeit des Erntedankfestes. In einigen Gemeinden ist es schon an diesem Sonntag gefeiert worden, in anderen wird es am nächsten Sonntag begangen. Das Fest ist nicht zuletzt dank der schönen Erntealtäre beliebt, die in den Kirchen aufgebaut werden. Dort stehen die Früchte, Obst und Gemüse, die meist aus den Gärten der Gemeindemitglieder kommen. Der Brauch, Gott als Dank Erntegaben zum Altar zu bringen ist uralt. Im alten Israel galt schon, dass die ersten Gaben des Feldes Gott als Dank dargebracht werden sollen. Man gab dem Schöpfer als Dank für die Ernte also etwas zurück. Dass wir genug zu essen haben, beruht auf Voraussetzungen, die wir nicht selbst schaffen: Die Erde, die Pflanzen, die Sonne, der Regen – all das muss zur menschlichen Arbeit und Technik hinzukommen. Vielleicht erleben wir uns gerade beim Erntefest als Geschöpfe Gottes.
In der vergangenen Woche hatte ich Gelegenheit, einen großen Landwirtschaftsbetrieb zu besuchen. Ich sah die großen Kuh- und Schweineställe, die riesigen Landmaschinen, die auf den Feldern eingesetzt werden, die Silos für das Futter, die Becken, in denen der Dung aufbereitet wird. Das alles hat wenig mit der Romantik eines kleinen Nutzgartens zu tun. Für mich als ausgesprochenes Stadtkind war es trotzdem beeindruckend. Hier entstand dank der Arbeit vieler Menschen, dank ausgefeilter Technik und Know How, was ich unter Woche im Supermarkt einkaufe. In diesen Wochen, so erklärte uns der Gutsbesitzer, sind die Maschinen unentwegt auf den Feldern unterwegs. Zum Abschluss der Ernte, wenn Kartoffeln, Heu, Weizen und Mais eingefahren sind, gibt es für die Mitarbeiter ein großes Erntefest. Auf solche Erntefeste, wie sie auf den Dörfern bis heute gefeiert werden, dürfte auch unser aktuelles kirchliches Erntedankfest zurückzuführen sein.
Natürlich sprachen wir bei unserem Besuch auch über die Dinge, die die Bauern bewegen, über das Klima und das Wetter, über EU-Subventionen, den Großhandel und die Preise. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Anfang des Jahres haben wir von den Bauernprotesten gehört, die über Wochen das Land beschäftigt haben. Schon kleine Veränderungen beim Preis oder bei den Subventionen können für die Landwirte große Wirkungen haben. Ein Bauer hat mir einmal etwas ironisch gesagt: „Wir haben immer etwas, wofür wir dankbar sein können, aber natürlich auch immer etwas zu klagen. Die Situation ist nie optimal: Entweder es ist in einem Jahr zu trocken oder zu nass, zu warm oder kalt, die Milch- oder Schweinepreise sind zu gering. Und selbst in einem Jahr, in dem alles stimmt, können sie davon ausgehen, dass dann gerade unsere Werkstätten für die Traktoren die Preise erhöhen.“
Man darf sich beim Erntedankfest nicht täuschen. Es ist nie alles gut, weder bei der Ernte noch in unserem Leben. Das Erntedankfest bildet nur ab, wo wir gerade stehen. Im Rückblick aber, nachdem die Arbeit geschafft ist, bleibt doch das Erstaunen darüber, dass doch eine Menge zusammengekommen ist. Es gibt immer einen Grund, dankbar zu sein und natürlich auch immer einen Grund, mehr oder Besseres zu erwarten.
Diesen Gedanken habe ich in einer Predigt von Leo dem Großen aus dem 5. Jahrhundert wiedergefunden. Die Sorgen der Landwirtschaft sind offensichtlich kein neues Phänomen. Leo schreibt:
Oft vermisst sich der Mensch, in seiner Torheit gegen seinen Schöpfer zu murren, nicht allein in der Not, sondern sogar im Überfluss. So beklagt er sich, wenn etwas nicht ausreichen will und vergisst den Dank, wenn etwas überreich vorhanden ist. Hatte er eine gute Ernte, so ärgert er sich, dass seine Scheunen den Segen nicht fassen können […] Statt sich zu der Menge der Früchte zu beglückwünschen, jammert er über ihren geringen Preis. Sollte aber einmal der Boden im Verhältnis zum empfangenen Samen allzu kärglich tragen, […], dann schilt er man auf die Elemente und schont weder Wetter noch Himmel, während doch fromme, gläubige Jünger der Wahrheit nichts mehr auszeichnet und festigt, als beständig und unermüdlich Gott zu loben […].[1]
Leo macht aus der Erfahrung des Ungenügens eine Frage der inneren Haltung. Die Unbeständigkeit des Lebens und seiner Erträge fordert meine Standfestigkeit im Glauben heraus. Wer nur das Defizit sieht, hat ein Problem. Vielmehr sei es doch wichtig, den Dank nie zu vergessen, in guten, wie auch in schlechten Jahren. Auch das Wenige hat schon den Dank verdient. Wir sollten, so Leo, nicht an der Güte Gottes zweifeln.
Ich glaube, dieser Punkt ist in einer Gesellschaft, die sich an einen beständig steigenden Wohlstand und immer höhere Standards gewöhnt hat, wichtig. Die derzeitigen, zum Teil auch berechtigten Befürchtungen, dass unser beständiges Wachstum an ein Ende kommen kann, verdüstern den Blick auf das was da ist und auf das was, was auch unter bescheideneren Umständen noch da sein wird. Aus dem Erntedankfest ergibt sich zugleich eine Frage der Gerechtigkeit. Wer viel hat, kann auch viel abgeben, wer wenig hat, soll mehr bekommen. Wenn Gottes Güte für alle Menschen gleich ist, wie steht es dann mit unserer eigenen Güte? Die Freude des Festes will meinen Blick auf das Gute und Schöne richten, das da ist. Es will meinen Blick zumindest wieder stärker auf das richten, wofür ich dankbar sein kann. Es gibt allen Grund zum Dank, für die einen mehr und für die anderen weniger, Im Rückblick wird sich hoffentlich wieder zeigen, was trotz all der Schwierigkeiten oder Herausforderungen der letzten Monate zusammengekommen ist. Von dem, was ich empfangen habe, kann ich wieder geben, damit auch andere davon haben dürfen.
Beitragsbild: Erntealtar in St. Marien, Rehna
[1] Leo der Große, Sermo XII, in: Ders., Sämtliche Sermonen, München 1927, 45f.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass ausgerechnet zum Zeitpunkt des Erntedankfestes, die Katholische Kirche hingeht und ein Papier zur Agrarpolitik veröffentlicht, welches zu einer Existenzgefährdung der ohnehin schon stark belasteten Landwirte führen würde. Nicht nur, dass dieses Papier aus der Feder eines grünen Parteibeschlusses stammen könnte, in Hinblick auf die Begründung „Schöpfungserhalt, gerade die Umweltzerstörung durch grüne Ideologie leicht entgegenzustellen wäre. Die Zerstörung der Landwirtschaft und der Umwelt im Namen der Katholischen Kirche. Das führt gerade in Bayern, wo es zu einer noch starken Bindung der Landwirte an die Katholische Kirche kommt, zu Massenaustritten aus der Katholischen Kirche; andere Bundesländer werden folgen. Nachzulesen beispielsweise bei achgut.com, „Bauern exkommunizieren die Katholische Kirche“, Georg Etscheit, 24.10.2024. Wenn ich zum Beispiel in dem Papier der Bischofskonferenz lese, man solle sich neuen Züchtungsmethoden öffnen, heißt das verklausuliert wohl, „grüne Gentechnik“ auf die Felder. Als Molekulargenetikerin mit Spezialisierung auf Gentechnik und Technikfolgenabschätzung zur Gentechnik, weiß ich wie groß die ökologischen und gesundheitlichen Gefahren wären und ich weiß auch, dass es schon seit Jahrzenten die Akzeptanzstrategie der Industrie ist, das trojanische Pferd „Klimawandel, wir retten die Menschheit vor dem Hunger, sind ja nur neue Züchtungsmethoden, Welt-Gerechtigkeit usw.“ zu nutzen, um die grüne Gentechnik auf die Felder zu bringen. Heute soll mit solchen Akzeptanzstrategien die grüne Ideologie in erweiterter Form, auf Kosten der Bauern, durchgesetzt werden. Dass die Katholische Kirche hingeht, und auf der Basis eines solchen „Bluffs“ die Existenz vieler Landwirte und kleinbäuerlichen Strukturen zerstören würde, ist eine ebenso große Schande, wie die Kritiker solcher „grüner Agrar-Transformation“ im Papier gleich wieder in die populistische Ecke zu diffamieren. Was geht da in der Katholischen Kirche vor? Warum gibt es nicht ansatzweise den Versuch sich von politischen Ideologien fernzuhalten und Katholiken in der Katholischen Kirche zu halten?
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