Sakramente – Teil 3: Was ist ein Sakrament?

Religiöse Zeichen und das magische Missverständnis

An dieser Stelle muss ich entschuldigen. Ich habe Ihnen im letzten Absatz schon ziemlich viel an abstrakter Theologie zugemutet. Die verschiedenen Fachbegriffe mögen etwas verwirrend sein. Wahrscheinlich ist die Frage: „Was ist ein Sakrament?“ noch nicht ganz beantwortet. Es scheint eher komplizierter geworden zu sein. Halten wir mit Rahner und Boff erst einmal fest: Die Wirklichkeit des unsichtbaren Gottes und unsere Antwort auf dieses Wirklichkeit vermittelt sich in Zeichen, Worten und Symbolen. In einem ganz allgemeinen Sinn („natürliche Ordnung“) können religiöse Menschen alltägliche Dinge und Begebenheiten als Chiffren, also Zeichen, lesen, die für sie auf die Wirklichkeit Gottes hinweisen. Dies kann die Betrachtung der Natur sein, wichtige menschliche Erfahrungen der Freundschaft, Liebe oder Hilfeleistung, ein besonderes Glück, das einem widerfährt. Religiös gelesen ist also unsere menschliche Wirklichkeit durchaus „sakramental“ zu nennen. So sprechen einige Theologen zum Beispiel vom „Sakrament des Armen“[1] in Erinnerung an die Bibelstelle Mt 25, wo Jesus sagt, dass das gute Werk (Werk der Barmherzigkeit) an einem Bedürftigen zugleich eine Christusbegegnung ist. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Abseits dieser allgemeinen Bedeutung die das Wort „sakramental“ annehmen kann, verbinden wir den Begriff „Sakrament“ allerdings in der Regel mit einem kirchlichen oder zumindest gläubigen Handeln. Es geht hier um „heilige“ Dinge und Vollzüge, also solche, die der „übernatürlichen“ Ordnung zuzuordnen sind. Es geht um Ausdrücke und Feiern des offenbarten christlichen Glaubens. Religiöse Kommunikation, also Kommunikation zwischen Gott und Mensch ist meist eine Kommunikation in Wort (Gebet) und Zeichen.

Von solchen Zeichen gibt es viele. Das Kreuzzeichen ist der symbolische Ausdruck des christlichen Glaubens an die Dreieinigkeit. Das Weihwasser, das über Menschen und Dinge ausgesprengt wird, ist eine symbolische Verdichtung des Segens: So wie das Wasser auf uns herabregnet, so erreicht uns Gottes Segen, sein Zuspruch, seine Gnade. Die Kerze, die in der Kirche aufgestellt wird, ist ein Symbol für das Gebet, das an diesem Ort gesprochen wurde. Mit der Kerze „brennt“ mein Anliegen, mein Wunsch, meine Bitte, mein Dank an dieser Stelle weiter. Die Kniebeuge ist ein sichtbarer Ausdruck der Gottesverehrung, um dessen Gegenwart (etwa im Sakrament der Eucharistie) ich an dieser Stelle weiß. Die Kollekte im Gottesdienst ist auf der einen Seite ein Beitrag zur Unterstützung bestimmter kirchlicher Anliegen und Hilfestellung, auf symbolischer Ebene ist sie aber auch ein Ausdruck meines Lebens, eines Stücks von mir selber, das mit den anderen Gaben zum Altar gebracht wird (daher der alte Name „Opfergang“ als Echo der Dank- und Bittopfer etwa der alttestamentlichen Tradition). Der Weihrauch ist ein sprechendes Symbol der Gottesverehrung. Es werden in der Heiligen Messe die Symbole, die für den gegenwärtigen Jesus Christus stehen, mit Weihrauch inzensiert: Das Wort Gottes im Evangelium, der Altar, die Osterkerze, die eucharistischen Gaben, der Priester und die Gemeinde.

Hier sind wir auf der Ebene der christlichen Symbole. Die menschliche Seite in der gott-menschlichen Kommunikation verschafft sich einen zeichenhaften Ausdruck. In den Bereich des „Sakramentalen“ kommen wir, wenn wir von „starken“ Symbolen ausgehen, also von solchen, die wir mit der göttlichen Antwort verbinden würden. Hier teilt sich Gott selbst unter den Zeichen mit. Und die entscheidende Frage ist: Woher wissen wir das?

Wir sind an einer ganz entscheidenden Stelle unserer Überlegungen angekommen. Als Sakrament können wir ganz allgemein erst einmal ein „starkes“ Zeichen oder Symbol verstehen, in dem Gott selbst handelt oder sich mitteilt. Es geht um den Bereich der symbolischen göttlichen Kommunikation zu uns Menschen. So macht es durchaus Sinn, von Jesus Christus, von der Schöpfung, von der Kirche, vom Armen als „Sakrament“ zu sprechen (mit allen Anfragen, die man sicher stellen kann). Es gilt zunächst ein Grundsatz: Gott ist frei in seinem Tun. Er entscheidet, wann, wo und an wem er handelt. Wir können Gott zu nichts zwingen. Der Versuch, Gott (oder eine höhere Macht) zu etwas zu zwingen, heißt „Magie“. Einem Zauberer, einem Magier, einer Hexe, einem Schamanen, also Gestalten, die in der Kulturgeschichte zu allen Zeiten auftreten, wird eine besondere Fähigkeit zugeschrieben: Sie können durch die Durchführung von Ritualen oder das Aufsagen von Zaubersprüchen die Götter oder sonstige Geisteswesen dazu zwingen, etwas Bestimmtes zu tun: Regen erzeugen, eine Krankheit heilen, einem Menschen Unheil schicken, eine glückliche Geburt herbeiführen, ein Unglück erzeugen etc.. Im jüdisch-christlichen Glauben ist das nicht möglich. Gott kann zu nichts gezwungen werden. Wir können ihn lediglich bitten, etwas zu tun. Kirchliche Rituale sind niemals magische Rituale! Ich sage das so deutlich, weil es zu allen Zeiten und heute solche „magischen Missverständnisse“ gibt.

Dafür möchte ich ein Beispiel geben. Das häufigste Missverständnis ist das des Segens. Ein Segen heißt: Gott teilt seine Gnade einem Menschen mit. Das bedeutet auf der einen Seite das „Wohlgefallen Gottes“ an einem Menschen, auf der anderen Seite sein Willen, das Leben zum Heil (also zum Gelingen und zum Guten) zu führen. Ein Mensch oder auch eine Sache wird gesegnet, damit er oder sie zum Guten dient und geführt wird, als Baustein im Heilswerk Gottes. Deswegen heißt „segnen“ im Lateinischen „benedicere“, wörtlich „gutheißen“. Ein Segen ist keine magische Verwandlung. Gott kann nicht zum Segen gezwungen werden. Deshalb beginnen die Segensgebete immer mit: „Segne, Gott…“ oder auch „Sei gesegnet, XY…“. Der Segen wird immer in Form einer Bitte ausgesprochen. Es heißt nie: „Du (bzw. eine Sache) bist jetzt gesegnet“. Diese Formel wird umgangsprachlich verwendet, wenn wir damit ausdrücken wollen, dass ein Mensch oder ein Gegenstand in einem Ritus dem Segen Gottes anvertraut oder empfohlen wurde. Ein Rosenkranz wird gesegnet, damit er dem Zweck dient, Menschen durch das Gebet näher zu Gott zu führen. Er ist aber kein Talisman, kein heiliges Objekt, das man sich etwa zum Schutz an die Wand oder ins Auto hängt. Ein Auto z.B. wird gesegnet als Ausdruck für den erbetenen Schutz der Fahrer im Straßenverkehr. Das vorgesehene Segensgebet enthält konsequenterweise auch die Mahnung an die Besitzer, den Gegenstand zum Guten zu gebrauchen und sich im Verkehr rücksichtsvoll zu verhalten. Ein Krankenhaus wird gesegnet, weil es ein guter Ort für die Heilung von Menschen sein soll, also einen guten Zweck gemäß Gottes Willen dienen möge. Der Segen ist aber keine magische Beschwörung. Ein gesegnetes Auto geht nicht seltener kaputt als ein ungesegnetes.

Der Segen ist im Kern ein ritualisiertes Bittgebet. Als solches ist er wertvoll und wichtig. Ein anderes Beispiel ist die kirchliche Beerdigung. Sie ist im Kern ein ritualisiertes Werk der Barmherzigkeit (die Toten zu begraben und die Trauernden zu trösten). Auch sie wirkt nicht magisch, in dem Sinn, dass sie Gott zu irgendetwas zwingen würde. Kein Requiem kann Gott verpflichten, den Verstorbenen in den „Himmel aufzunehmen“. Wir können das glauben, darauf begründet hoffen und darum bitten. Das Bitten bleibt ein menschliches Werk, allerdings eins, zu dem das Evangelium ermutigt, wie das Gleichnis von der Witwe in Lk 18 verdeutlicht. „Bittet, dann wird euch gegeben“ (Mk 11,24).

Es gibt also eine Unterscheidung bei den kirchlichen Symbolhandlungen, die sich in der Kirchensprache in den Begriffen „Sakramentalien“ und „Sakramente“ ausdrückt. Die Grenzen sind manchmal nicht klar zu ziehen. Was hindert uns z.B. daran, zu glauben, dass mit dem Ritus des Segnens die Annahme des Gesegneten durch Gott nicht auch erfolgt ist, dass also das Zeichen des Segens die göttliche Antwort auf unsere Bitte zugleich enthält?

Sieben Sakramente?

Es muss für die Bestimmung dessen, was ein Sakrament ist also noch etwas hinzukommen. Ich habe in meiner provisorischen Antwort gesagt, dass das Sakrament ein „starkes“ Zeichen oder Symbol der göttlichen Kommunikation zu uns Menschen ist. Zugleich habe ich gesagt, dass Gott in seinem Wirken frei ist und von uns nicht zu einer bestimmten Antwort auf unsere Bitten gezwungen werden kann. Das magische Missverständnis gibt es schließlich auch bei den Sakramenten selber. Die Vorstellung, dass der Priester durch die korrekte Ausführung des Ritus eine Verwandlung des Brotes und Weines in Leib und Blut Christi herbeiführt, dürfte gar nicht so wenig verbreitet sein. Das Zauberwort „Hokuspokus“ geht schließlich auf die eucharistischen Einsetzungsworte „Dies ist mein Leib“ (lateinisch: „Hoc est enim corpus meum“) zurück. Woher wissen wir also, dass Gott in den Sakramenten wirksam ist, wenn wir ihn dazu nicht zwingen können?

Es gibt für die Sakramente ein wichtiges Kriterium. Dieses ist klassisch gesprochen die „göttliche Einsetzung“. Das heißt nichts anderes als das Folgende: Gott, der sich uns Menschen offenbart, sagt seine Gegenwart und sein Wirken in bestimmten Handlungen der Kirche selbst zu. Dies geschieht an verschiedenen Stellen des Neuen Testaments. Am deutlichsten ist dies bei der Eucharistie. Als Jesus beim letzten Abendmahl mit den Jüngern zusammen ist, bricht er das Brot und reicht ihnen den Wein als „Realsymbol“ seiner selbst, seines Fleisches und Blutes – also seines ganzen Lebens und zugleich der Erlösung in Kreuz und Auferstehung. Anschließend trägt Jesus den Jüngern auf: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22, 1Kor 11). Die Schlussfolgerung der jungen Kirche ist: Die Apostel (und später ihre durch Handauflegung bestimmten Nachfolger) sind beauftragt, die Feier des Brotbrechens und die Darreichung des Weines als Ritus weiterzuführen. In der Feier dieses Ritus ist der auferstandene Jesus Christus unter den Zeichen von Brot und Wein selbst gegenwärtig. Das Sakrament enthält also die durch die Offenbarung (Heilige Schrift) verbürgte zeichenhafte Gegenwart Gottes. Ähnlich verhält es sich mit dem Auftrag an die Apostel, in der Kraft des Heiligen Geistes (also als „Bevollmächtigte“) die Sünden zu vergeben – ein Auftrag, der später im Bußsakrament aufgeht. Gottes vergebendes Wirken wird hier im sakramentalen Ritus verbürgt. Bei der Taufe gibt es ebenfalls ein klares Einsetzungswort (Mt 28,19). Aus dem Auftrag, die Kranken kraft göttlicher Kraft zu heilen wird schon bald der Ritus der Salbung (Jak 5,14). Die Handauflegung als Ritus der Übermittlung des Heiligen Geistes wird in Anlehnung an die Geistübergabe des Auferstandenen an die Jünger (Joh 21) sehr schnell zur kirchlichen Praxis (Apg 19,2). Ebenso wird dieses Zeichen bereits in der Apostelgeschichte als wirksame Symbolhandlung zur Übermittlung der apostolischen Sendung und Vollmacht (kirchliches Amt) erwähnt (z.B. Apg 6,5f.; 8,19).

Die Sakramente bilden sich innerhalb der Kirchengeschichte also bereits sehr schnell heraus. Sie werden als verbürgte Zeichen der göttlichen Gnade verstanden. Damit sind aber längst noch nicht alle Fragen gelöst. Die Zahl der Sakramente z.B. blieb umstritten. Welche Symbolhandlungen sind zu ihnen zu zählen und welche nicht? Es wird im 16. Jahrhundert der große Einspruch Luthers sein, dass er als Sakramente nur die anerkennen wollte, für die er einen eindeutigen Beleg für ein Einsetzungswort aus dem Mund Christi in der Schrift fand, nämlich die Eucharistie (das Abendmahl), die Taufe und das Sakrament der Versöhnung (Buße). Auf der anderen Seite gab es in den ersten christlichen Jahrhunderten durchaus Diskussionen, ob es nicht mehr Sakramente geben müsste. Was ist, kann man fragen, zum Beispiel mit dem Exorzismus? Es gibt im Evangelium neben dem Auftrag der Krankenheilung an die Jünger auch den der Dämonenaustreibung (Mt 10,8), also einen Auftrag, der im Sinne einer Einsetzung verstanden werden könnte. Die Theologin Dorothea Sattler hat jüngst gefragt, ob man die Fußwaschung (Joh 13,14) nicht als Sakrament betrachten könne, da auch hier ein eindeutiger „Einsetzungsbericht“ analog zur Eucharistie in der Bibel zu finden ist.[2]

Tatsächlich muss man konstatieren, dass die Festlegung der Siebenzahl der Sakramente in der katholischen und orthodoxen Kirche ein Teil der kirchlichen Traditionsbildung ist. Lange war unter den frühen Theologen beispielsweise umstritten, ob die Ehe als Sakrament gelten kann oder nicht. Die lehramtliche Bestätigung der Siebenzahl der Sakramente erfolgte wohl erst im Mittelalter, etwa auf dem Konzil von Florenz im Jahr 1439 (DH 1310) und wurde gegen die Sakramentenlehre der Reformatoren auf dem Konzil von Trient 1547 (DH 1601) noch einmal bestätigt. Die Grenzen zu den Sakramentalien bleiben allerdings im Sinne eines Gesamtausdrucks der Sakramentalität der Kirche im Ritus nie ganz trennscharf. Wer den aus der Eucharistiefeier genommenen Fußwaschungsritus sieht, den Papst Franziskus am Gründonnerstag in einem römischen Gefängnis vollzog oder wer die Gelegenheit hatte, einmal einer feierlichen Ordensprofess oder gar einer Abts- oder Äbtissinnenweihe beizuwohnen, wird allein von der Form der Feier wenig Unterschiede zu einem Sakrament erkennen. Ebenso wird die vor Kurzem weltweit im Fernsehen verfolgte Salbung des Königs von England von nicht wenigen als Feier eines Sakraments empfunden worden sein.

Zudem ist, wie die Kritik Luthers gezeigt hat, die Begründung der einzelnen Sakramente als solche nicht immer mit der gleichen Klarheit zu zeigen. Das Beispiel der Ehe wird uns in diesem Zusammenhang später noch beschäftigen. Die Ausbildung der Siebenzahl der Sakramente ist im Kern Ergebnis eines verbindlich gemachten kirchlichen Traditionsprozesses. Dies schmälert den Wert der Sakramente nicht, macht es aber schwer, einem kritisch von außen anfragenden Menschen die Herleitung der sieben Sakramente mit letzter Stringenz zu erklären.

Das Wesen und die Krise der Sakramente

Werden wir an dieser Stelle noch einmal dogmatisch, also, werfen wir einen Blick auf die traditionelle Sakramentenlehre. Die Sakramente sind „starke“ Zeichen der gott-menschlichen Beziehung, in denen Gott selbst in seinem Heilswillen präsent wird. Sie sind durch die Offenbarung in Jesus Christus begründet, setzen also das durch ihn offenbarte Heilsgeschehen in Wort und Zeichen präsent. Jesus Christus kann als „Ursakrament“ bezeichnet werden. Die Sakramente zeigen an, dass das Wirken Gottes, seine Gnade im Heiligen Geist zu allen Zeiten Wirklichkeit ist. Sie sind realsymbolischer Ausdruck von der Erlösung, der Vergebung, der Heilung, der Liebe und Treue Gottes zu uns Menschen („signum demonstrativum“).

Die Kirche ist als Gemeinschaft der in Christus Berufenen ebenfalls Zeichen (Grundsakrament) der fortlebenden gott-menschlichen Gemeinschaft. In ihr werden daher die Sakramente als wirksame Heilszeichen gefeiert. Dabei haben die Sakramente nach klassischer Lehre drei Dimensionen. Sie sind einmal Vergegenwärtigungen des Handelns Jesu („signum demonstrativum“) und führen sich auf das Zeugnis der Schrift zurück. Sie erinnern daher an das biblisch bezeugte Handeln Gottes an seinem Volk („signum rememorativum“). Zudem sollen sie in der Zeit der „irdischen Pilgerschaft“ der Kirche und Menschheit auf die Vollendung hin ein Vorausbild dieser Vollendung sein („signum prognosticum“).

Die Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte die Feierform der einzelnen Sakramente entwickelt und den Bezugsrahmen festgelegt, in dem die Sakramente gefeiert werden.[3] Die Feierform und die rechtlichen Regeln wurden dabei immer wieder einmal angepasst. Eine im kirchlichen Sinn „gültige“ Feier der Sakramente muss sich an den kirchlichen Vorgaben orientieren. In der Regel besteht der Kern der sakramentalen Feier aus einem festen Ritus, der eine Symbolhandlung und eine feststehende gesprochene Formel miteinander verbindet. Zudem ist festgelegt, wer im Auftrag der Kirche mit der Feier der Sakramente beauftragt ist, wer die Sakramente empfangen kann, wie die Gesamtfeier der Sakramente gestaltet ist, z.T. auch, welche Materialien zur Durchführung des Ritus verwendet werden und wo er stattfinden darf.

Ich möchte an dieser Stelle noch nicht zu viel vorwegnehmen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Beispiel der Vereidigung des Bundeskanzlers, dass ich zur Erklärung eines „starken“ Zeichens gegeben hatte. Auch hier spielte das festgelegte Ritual aus Zeichen und Wort eine wichtige Rolle. Zudem war deutlich, dass dieses Zeichen nur unter ungeheuren Voraussetzungen, einem gewaltigen Bezugsrahmen (Staat, Recht, Parlament, Bevollmächtigte, Öffentlichkeit) wirksam, in diesem Fall also rechtlich bindend ist. Dieser Bezugsrahmen ist für die Sakramente ebenfalls notwendig und zugleich eine Schwierigkeit.[4] Kaum ein kirchlicher Bereich ist so intensiv geregelt wie die Feier der Sakramente (vor allem durch liturgische und rechtliche Vorschriften). Die zeigt auf der einen Seite an, welche zentrale Bedeutung den Sakramenten, als erstes der Eucharistie zugemessen wird. Zum anderen ist der ausgefeilte Bezugsrahmen auch ein beständiges Thema der Diskussion. Gerade weil die Rahmenbedingungen der Feier der Sakramente durch die Kirche selbst gesetzt werden und somit auch bis zu einem gewissen Grad veränderlich sind[5], mangelt es nicht an Vorschlägen zur Angleichung und Verbesserung der sakramentalen Riten. Tatsächlich sind solche Angleichungen immer wieder erfolgt, etwa als nach dem II. Vatikanischen Konzil sämtliche liturgische Vorgaben zur sakramentalen Feier überarbeitet wurden. Eine zweite Welle der Revision der nachkonziliaren Ritenbücher (Messbuch, Rituale) ist seit den späten 1990er Jahren im Gang. Zudem gab es Anpassungen im Kirchenrecht.

Besonders im Fokus stehen seit Jahren das Sakrament der Priesterweihe und der Ehe. Zudem gibt es die Diskussionen um die liturgische Sprache und um die Frage, wer eigentlich zum „Empfang“ der Sakramente zugelassen ist. Es werden Anpassungen für das Versöhnungssakrament (Beichte) gefordert und Ausnahmeregelungen bei der Frage der „Spender“, also der Bevollmächtigten für die sakramentale Feier (z.B. Taufbeauftragte, Nicht-Priester bei der Feier der Krankensalbung). Die Vorbereitung, Durchführung und die lehramtlichen sowie rechtlichen Vorgaben der sakramentalen Feiern werden angefragt. Man darf sicher davon sprechen, dass sich die Sakramente schon allein aus diesen Gründen in der „Krise“ befinden. Ich möchte im Folgenden auf die „Krisenphänomene“ eingehen. Da es nicht möglich sein wird, jede der theologischen Fragen ausreichend im gesetzten Rahmen zu behandeln, werde ich dabei den Fokus vor allem auf die aktuellen praktischen Probleme eingehen, die mir im alltäglichen Leben begegnen. Beginnen möchte ich mit der ganz grundlegenden Frage. Wie ist es eigentlich mit dem Glauben und der Kirche als Grundvoraussetzungen für die Feier der Sakramente bestellt?     


[1] So etwa auch Papst Franziskus in einer Ansprache zum Welttag der Armen: 5. Welttag der Armen, 2021: »Die Armen habt ihr immer bei euch« (Mk 14,7) | Franziskus (vatican.va)

[2] Dorothea Sattler, Sakramente im Sinne der Weisung Jesu Christi, in „Wirksame Zeichen…“, 207-232.

[3] S. hierzu das Kirchenrecht, can 840f. CIC.

[4] S. Hans-Joachim Höhn, Wirksame Zeichen? In: Wirksame Zeichen, 29-47.

[5] Hierauf hat die Kirchenrechtlerin Sabine Demel jüngst noch einmal sehr eindrücklich hingewiesen: S. Sabine Demel, (Un-)veränderbar?! – Die Vollmacht der Kirche über die Sakramente, in: „Wirksame Zeichen…“, 173-187.

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