Esst, was man euch anbietet!

Die ehemalige evangelische Bischöfin von Hamburg, Maria Jepsen, gab in ihrer Amtszeit einmal ein folgenschweres Interview. Das Radio hatte sie vor Weihnachten zum lockeren Talk eingeladen. Bei dieser Gelegenheit wurde sie gefragt, was sie mit ihrer Familie zum Fest essen werde. Die Bischöfin antwortete, dass sie eine Freundin der traditionellen Weihnachtsgans sei, die sie selbst auch gerne zubereite. Es wird erzählt, dass sich Bischöfin Jepsen in der Folge des Interviews kaum vor Briefen und Mails in Reaktion auf das Interview retten konnte. Social Media gab es zum Glück für sie damals noch nicht. Die eine Hälfte der Zuschriften bestand aus Rezepten und Empfehlungen für die perfekte Weihnachtsgans. Die andere Hälfte der Zuschriften waren empörte Briefe von Tierschützern und Vegetariern, die sich über den barbarischen Brauch der Gänsemast erregten und die Vorbildrolle der Bischöfin anmahnten.

Das kleine Beispiel hat mir damals den durchaus nicht spannungsfreien Zusammenhang von Seelsorge und Essen erschlossen. Wenn ich eingeladen werde und man mich fragt, was ich gerne esse, dann antworte ich seitdem, dass ich gerne das esse, was bei meinen Gastgebern auch gerne gegessen wird. Ich bin dabei, soweit ich weiß, auch nie enttäuscht worden.

Mit Wohlwollen habe ich daher zur Kenntnis genommen, dass mich das Evangelium (Lk 10,1-12) in dieser Handlungsweise bestätigt. Jesus gibt seinen Jüngern hier einige Verhaltensregeln und Arbeitsanweisungen für ihren Verkündigungsauftrag mit auf den Weg. Sie sollen für die Sache Gottes werben. Die Botschaft vom nahen Gottesreich, von der Notwendigkeit der erneuten Entscheidung für Gott soll sich so effektiv und schnell wie möglich verbreiten. Dabei setzt er auf Maßnahmen, die ein moderner Vertriebler heute vielleicht nicht unbedingt empfehlen würde. Nicht nur, dass Jesus die Jünger mit leichtem Gepäck losschickt, also ohne Musterkoffer und Werbeflyer, sondern nur auf die personale Begegnung zu den Zeugen der guten Botschaft setzt – er betont auch den Wert der Gastfreundschaft.

Übersetzt heißt sein Ratschlag: Arbeitet euch nicht an denen ab, die von euch nichts hören wollen. Geht vielmehr zu denen, die euch gastlich aufnehmen. Dort wo Menschen empfangsbereit sind, besteht auch die Möglichkeit, dass sie sich der Botschaft öffnen werden. Und dann kommt der Satz: „Esst und trinkt, was man euch vorsetzt“. Im Text selbst geht es wohl zunächst darum, dass die Jünger keine Scheu haben sollen, von den Menschen etwas anzunehmen. Ich höre natürlich noch etwas anderes mit.

Für mich sagt der Satz auch etwas darüber aus, was es bedeutet, ein guter Gast zu sein. Und das heißt für mich auch: Der Gastgeber bietet an. Er setzt auch das Thema, über das wir sprechen. Es mag sein, dass ich selbst ein wichtiges Anliegen mitgenommen habe – ich stelle es zurück, bis die Zeit dafür gekommen ist. Meine Aufgabe ist es, zunächst die Anliegen des Gastgebers zu hören. Ein guter Gast zu sein ist daher manchmal gar nicht so einfach – ich möchte nur einmal auf den anstehenden Urlaub hinweisen, in dem wir zu Gast bei anderen sind. Da gibt es mit Blick auf das Gastsein viele Probleme, über die man sprechen kann. Im Sinne der Verkündigung (darum geht es ja im Evangelium) ist das Gastsein klug – auch diese Erfahrung habe ich gemacht. Es kann sein, dass wir bei Besuchen zunächst lange über die Familie oder den Garten sprechen – früher oder später offenbart sich, was meinem Gastgeber ein wichtiges Anliegen ist, was seine Bedürfnisse und Ideen sind. Ein aufmerksamer Gastgeber wird auch mich nach einiger Zeit nach meinen Anliegen fragen. In diesem Austausch dann findet die Begegnung statt, die uns beide weiterbringen kann.   

Ich denke, es ist gewinnbringend, das Evangelium noch einmal auf unsere kirchliche Wirklichkeit hin zu bedenken. Es geht ja um die Mission. In den letzten Jahre, besonders bei Papst Franziskus, war das ein entscheidendes Stichwort. Wie kann die Kirche evangelisieren? Das heißt nichts anderes als: Wie können die Kirche als Ganze, aber auch die einzelnen Christen den Auftrag der Jünger erfüllen, die Botschaft des Glaubens überzeugend weiterzutragen?

Ich glaube es, lohnt sich, anhand des Evangeliums kritisch zu fragen, welche Fehler wir dabei vielleicht machen. Zum einen glaube ich dass der Hinweis wichtig ist, sich nicht zu sehr an denen abzuarbeiten, die kein Interesse haben. Ich muss meine begrenzten Möglichkeiten sinnvoll einsetzen. Auch wenn ich mir natürlich wünsche, dass möglichst alle Menschen sich schon aus eigenem Interesse für den Glauben interessieren, ist es wenig hilfreich, in taube Ohren zu sprechen.

Das zweite ist: Es gibt in der Kirche die wichtige Frage: „Wie können wir gastfreundlich sein?“ Diese Frage ist vor allem zu stellen mit Blick auf Menschen, die aus Interesse oder einem besonderen Bedürfnis zu uns kommen. Meine Beobachtung ist aber auch, dass das Bemühen um Gastfreundlichkeit manchmal in einer Selbstaufgabe mündet. Es gab und gibt vielleicht auch einen gewissen ziellosen Aktionismus. In der Hoffnung, irgendwie Menschen anzusprechen, boten Gemeinden zur Fußballweltmeisterschaft Public Viewing an oder machten ihre Kirche zur Kneipe. Dabei gilt doch: Der Gastgeber setzt das Thema. Was ist uns wichtig? Gehen wir einmal davon aus, dass Menschen in eine katholische Kirche kommen, weil sie dort auch etwas Katholisches suchen. Das Angebot sollte sich also an unserem Auftrag orientieren (Liturgie, Verkündigung, Nächstenliebe).

Das dritte ist: Wo sind wir zu Gast? Wo suchen wir Menschen guten Willens auf, um mit ihnen zusammen etwas zu machen und mit ihnen zu sprechen? Als gute Gäste kommt an dieser Stelle die Verkündigung erst im Dialog, in der aufrichtigen Auseinandersetzung mit unserem Gegenüber. Das gilt für den Hausbesuch genauso, wie für die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen oder unseren christlichen Nachbarn anderer Konfessionen.

„Esst, was man euch anbietet“ – das ist der eine Satz. „Kocht, was ihr anderen anbieten möchtet“ – ist dann die logische Ergänzung. Wie auch immer wir im Glauben unterwegs sind, es geht in der Verkündigung um die Begegnung, aus der etwas entstehen soll für den Glauben und zur Heilung – bei uns selbst und den Menschen, denen wir begegnen.   

Beitragsbild: Vorbereitungen zum Gemeindefest in einer Pfarrei in Puerto Iguazú (Argentinien), hier: Der Grillstand

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